Das Paradies eines Reichen
Ein reicher Wirt und Weingutsbesitzer bewohnte ein stattliches Haus. Dieses und sein großer Weinberg hatten eine wunderschöne Lage. Ringsumher liebliche Berge und vor sich sah man den schönen tiefblauen See.
Der Mann verstand sein Geschäft. In seinem Hause wurde viel getrunken und manches Goldstück blieb zurück, wenn die Gäste endlich gingen. Der Reichtum des Mannes wuchs sehr.
Da fügte es Gott, dass diesem Manne eines Tages von einem Gläubigen ein Zeugnis von Gott, von Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit, aber auch von Seiner Gnade und Barmherzigkeit in Christus gesagt wurde. Der reiche Wirt hatte dafür nur Spott und Verachtung. Schließlich fragte der Besucher ihn ernst:
"Wollen Sie denn nach Ihrem Tode nicht in das Paradies?"
Da lächelte der stolze Mann, ging an das Fenster, zeigte auf seinen schönen Besitz und auf den im Sonnenglanz daliegenden See:
"Paradies? Sehen Sie, das ist mein Paradies! Ein anderes will ich nicht."
Und allerdings breiteten sich da aus im Sonnenschein Weinberge und Wiesen, von blühenden Obstbäumen umrahmt, in sanftem Abhang bis zum blauen See hinab und am jenseitigen Ufer erhoben sich schöne Hügel und darüber die schneeigen Alpengipfel in die blaue Luft, ein prächtiges Bild!
"O, wie bald kann Ihnen dieses Paradies genommen werden", war die ernste Antwort.
Einige Zeit später besuchte der Gläubige den harten Mann wieder. Wie hatte sich das "Paradies" seitdem verändert. Zwar glänzte der See noch im Sonnenschein und die Weinberge standen noch da, ebenso wie das stattliche Haus, aber im Zimmer saß der Besitzer, gebrochen, finster brütend im Armsessel. Sein geliebter Sohn war vor seinen Augen im See ertrunken, eine Tochter unglücklich verheiratet und er selber siechte langsam an einem unheilbaren Leiden dahin. Dazu hatte der Tod auch seine Frau hinweggerafft. Nur noch eine Tochter war da und die pflegte den Vater, der infolge eines Schlaganfalls ganz gelähmt und an seinen Sessel gefesselt war. Während der Unterhaltung trat die Tochter, fertig zu einem Ausgang, ins Zimmer und fragte:
"Vater, soll ich dir aus der Stadt etwas mitbringen?"
"Ja, einen Revolver, um diesem elenden Dasein ein Ende zu machen."
Traurig wandte sich die Tochter ab und wischte sich die Augen; denn der Wunsch nach einer Selbstmordwaffe kehrte in allen Gesprächen des Vaters wieder.
Und derselbe Besucher kam nach wenigen Jahren wieder in die Gegend und stieg den Berg hinauf. Aber wo war denn das Haus? Keine Spur war mehr von ihm zu sehen. Der Fremde fragte und da erfuhr er, dass der alte Mann einem erneuten Schlaganfall erlegen, das Haus aber bald darauf bis auf den Grund abgebrannt sei. Die Tochter aber sein in die Welt hinausgezogen, man wisse nicht wohin.
Das war das Ende des "Paradieses". Da war der arme Schächer am Kreuze besser dran als dieser reiche, angesehene Wirt und Weingutsbesitzer. Zu jenem sprach Jesus: "Heute wirst du mit Mir im Paradiese sein!" (Luk. 23,43)
© Alle Rechte vorbehalten