Das Papier
Gotthold kaufte etliche Bücher Papier und gerieth darüber auf folgende Gedanken: dies nützliche Werkzeug des menschlichen Lebens, der Schrein aller Künste und Wissenschaften, der Diener aller Regiments, der Unterhändler alles Handels und Wandels, das andere Gedächtniß des menschlichen Gemüths, die dauerhafteste Säule eines unsterblichen Namens hat seinen Ursprung von schlechten Lumpen. Der Lumpenhändler geht und fährt durch Städte, Dörfer und Flecken, und man sucht auf sein Anmelden aus allen Winkeln zusammen die untauglichsten und zerrißnen Lappen, deren man sich sonst nicht zu bedienen weiß; diese führt er seiner Mühle zu, da sie verlesen, gewaschen, zerstoßen, geformt, geleimt und, kurz, also zubereitet werden, daß sie vor Könige und Fürsten zu kommen sich nicht schämen dürfen. Schade und Schande ist es nun, daß für diese so nützliche Erfindung dem Höchsten so wenig gedankt und so viel reines Papier mit unreiner gotteslästerlicher Lehre, scheinbarem Irrthum und Betrüglichkeit, falschen Händeln und Rechnungen und unfläthigen ärgerlichen Zoten bekleckt und befleckt wird. Ich erinnere mich aber hiebei, mein Gott! der Auferstehung meines sterblichen Leibes. Wenn die Seele aus demselben verschieden ist, weiß ich nicht, ob er besser sei, als ein verlegener und zerrissener Lumpen; darum man auch mit ihm der Erde zueilt, da er von den Würmern zernagt und zu Staub und Asche gemacht wird. Kann aber der Mensch durch seine Kunst aus unfläthigen Lumpen ein so reines, weißes und nützliches Ding bereiten, solltest du denn nicht durch deine Macht meinen nichtigen Leib wieder aus der Erde hervorbringen und verklären können, daß er dem verklärten Leibe meines Herrn Jesu ähnlich werde? Phil. 3, 21. Freilich ja, du allmächtiger Gott! Du kannst überschwenglich mehr thun, als wir bitten oder verstehen. Eph. 3, 20. Darum will ich, wann du willst, fröhlich und willig sterben, weil ich versichert bin, daß du mir für diesen sündlichen, dürftigen, schwachen, nichtigen und verweslichen einen heiligen, vollkommnen, starken, herrlichen und unverweslichen Leib geben und mich als ein reines Papier mit göttlicher Weisheit, himmlischer Klarheit und unaussprechlicher Herrlichkeit beschreiben wirst.
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