Das Luststück

Gotthold ließ in seinem Garten ein Luststück (wie es die Gärtner wegen der Blumenlust und weil es nicht so sehr zum Nutzen, als Ergötzlichkeit dient, nennen) von Neuem anlegen und mit allerlei Blumenzwiebeln bepflanzen; als es nun fertig, gerieth er darüber in folgende Gedanken: ob zwar der Gärtner an diesem Platz seine Kunst bewiesen und der Erde mit seinen Modeln ein zierliches Ansehen gemacht hat, so bleibt sie doch so wohl, als andere Erde bei ihrer wilden Art, und wenn dieses anmuthige Stück nicht in fleißiger Aufsicht gehalten wird, dürfte es in kurzer Zeit voll Unkraut erfunden werden; so ist es auch mit dem Herzen der heiligen Kinder Gottes. Sie sind ja zwar andere Menschen durch die selige Wiedergeburt geworden und ihre Herzen haben durch Gottes Gnade, Wort und Geist eine andere Gestalt gewonnen, doch bleibt die sündliche angeborne Art darinnen verborgen und muß durch tägliche Buße, Gebet, Streit und heiligen Vorsatz unterhalten werden. Die frommen Herzen verlassen zwar die Sünde, aber die Sünde verläßt sie nicht; der Apostel nennt sie eine Sünde, die uns immer anklebt und träge macht. Hebr. 12, 1. Und ohne Zweifel hatte hierauf der königliche Prophet sein Absehen, wenn er sich zwar Ps. 18, 22. 23. 24. seiner Uebung in der Gottseligkeit, seinem Gott zu Ruhm und Preis, mit Demuth rühmt, doch merklich sagt: Ich hüte mich vor meiner Sünde. Er führte zwar einen behutsamen und heiligen Wandel und hatte die Rechte seines Gottes stets als einen Spiegel vor Augen, doch wußte er wohl, daß die Sünde noch in ihm wohnte, und daß einige Fehler waren, zu welchen seine Natur sonderlich geneigt, darum er sie seine Sünde nennt, wie es denn auch leider! die Erfahrung ihn gelehrt hat, daß er diese Sünde noch nicht gänzlich ausgerottet, als sie öffentlich ausgebrochen und böse Früchte getragen. 2. Sam. 11, 2. ff. Nun, mein Gott! ich erkenne deine Gnade und mühsamen Fleiß, welche du an mein armes verwildertes Herz gewandt hast, und danke dir, daß du einen Abriß und Muster der wahren Gottseligkeit in demselben gemacht und mit heiligen Begierden und Verlangen, als den Wurzeln aller Tugenden, es belegt hast! Du weißt aber, mein Vater! die Art dieser Erde, ich habe auch meine Sünden, ich bemühe mich zwar, wie du weißt, dieselben auszugäten und zu dämpfen, doch bleibt die sündliche Art im Fleisch verborgen und läßt nicht nach, sich zu regen und, wo sie kann, auszuschlagen. Nun, mein Gott! meine Aufsicht und Fleiß ist zu gering und zu schwach, habe du selbst Acht auf mich und mein armes Herz, reute aus, dämpfe, zwinge die Sünde und laß die Glaubens- und Liebesblumen täglich in mir wachsen und sich vermehren, daß meine Seele dein Lustgarten bleibe!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
© Alle Rechte vorbehalten