Das Licht
Als zur Abendzeit in einer gottseligen Gesellschaft das Licht gebracht wurde, sagte einer, er hielte dafür, daß man in Anschauung des Lichts zu allerlei guten Gedanken würde Anlaß nehmen können. Freilich, antwortete Gotthold, und damit ihr dessen eine Probe habt, so nehmt wahr, wie etliche in dieser Gesellschaft bei Auftragung des Lichts die Hand vor die Augen gehalten haben, weil ihren schwachen Augen zweifelsfrei die geschwinde Veränderung des Lichts und der Finsterniß nicht erträglich und dienlich ist; diese (welches aber zu hören, ihnen nicht widerlich sein wird) bilden uns mißgünstige Leute vor, die anderer glücklichen Wohlstand und Aufnehmen nicht ohne Augen- und Herzweh anschauen können, welches aber christlicher Liebe schnurstracks zuwider; denn warum sollte ich, wenn Gott ein Licht anzündet, dasselbe mit neidsüchtigem Anhauchen auszublasen bemüht sein? Das Licht wird gemeiniglich von einem Fünklein, aus zusammen geschlagenem Stein und Stahl aufgefangen, angezündet. Also ist kein Glaube, Tugend oder Gottseligkeit, die nicht durch viel Widerwärtigkeit entzündet und erhalten wird. Das angezündete Licht wird nicht unter die Bank oder unter einen Scheffel gesetzt, sondern auf einen Leuchter und Tisch, so leuchtet es denen allen, die im Hause sind; also sollen auch wir unser Licht lassen leuchten vor den Leuten, daß sie unsere guten Werke sehen und unsern Vater im Himmel preisen. Matth. 5, 15. 16. Das brennende und scheinende Licht verzehrt sich selbst, indem es andern leuchtet und dient; also sollen wir uns glückselig schätzen, wenn wir mit allen Leibes- und Gemüthskräften Gott und dem Nächsten dienen können, obwohl dieselben nach und nach verschwächt und wir zum Tode gezeitigt werden. Besser ist es, sein Leben in Sorgen und Unlust andern zum Dienst, als in Ueppigkeit und Wollust sich selbst zum Verderben verzehren. Das Licht wird geschnäuzt, daß es klarer scheine; so belegt Gott seine Kinder mit Kreuz, daß ihr Glaube desto heller leuchte. Ein brennendes Licht wird vom Odem aus-, ein rauchendes aber von demselben Odem angeblasen; also ist dem Höchsten es gleich leicht, unsere Glückseligkeit, wenn wir derselben uns überheben, hinweg zu nehmen, auch wenn wir gedemüthigt sind und uns bessern, dieselbe wieder zu geben. Beides steht in seinem zornigen oder gnädigen Anhauchen. Wenn etwa der abgeschnäuzte Docht in der Lichtputze nicht recht ausgelöscht ist und übel riecht, so greift stracks der Nächste zu, solchen Gestank zu dämpfen; warum machen wirs nicht auch so mit den Fehlern unsers Nächsten? warum decken wir nicht seine Schande zu, so viel Amts und Gewissens halber geschehen kann? Wenn über ein ausgelöschtes noch rauchendes Licht ein brennendes gehalten wird, so fällt die Flamme von demselben durch den Rauch herunter und zündet das ausgelöschte wieder an; also, wenn uns dünkt, unser Glaube, Trost, Glück und Wohlfahrt sei ganz aus, erhört Gott unsere ängstlichen, demüthigen Seufzer und seine Gnadenflamme giebt Schein, Freude und Leben wieder. Wenn ein Licht steht an einem windigen Ort, so leuchtet es nicht wohl, das Wachs oder Unschlitt verfließt unnützlich, und es wird desto eher verzehrt; also ein Mensch, der sein Herz zu sehr an die Welt hängt, oder der sich selbst mit unnöthigen Sorgen plagt, giebt keinen guten Christen und kürzt sich selbst das Leben ab. Die Flamme ist sonst gewohnt, über sich zu steigen, und sucht allezeit die Höhe, am Licht aber muß sie ihrer Nahrung unterwärts folgen; also ist unser Glaube zwar himmlisch und muß, was hoch und göttlich ist, suchen, wird aber doch in der Demuth und Erniedrigung seiner selbst gleichsam ernährt und erhalten. So lange das Licht aufrecht steht oder getragen wird, hat es vom Wachs oder Unschlitt seine Nahrung, kehrt man es aber um und neigt es zur Erde, so wird es von überflüssiger Fettigkeit ausgelöscht; also kann ein Christ zeitlicher Güter, so lange er sein Gemüth in deren Liebe nicht vertieft, sondern nach dem Himmel richtet, ihm selbst und andern zum Besten sich sehr wohl bedienen, allein, wo er sein Herz vom Himmel ab und bloß aufs Vergängliche wendet und seines Vermögens zur Ueppigkeit und unziemlichen Ueberfluß gebraucht, so verlischt das Licht des Glaubens und der Gottseligkeit. Wir sehen oft die Mücken zur Abendzeit um die Lichter schwärmen, so lange, daß sie die Flügel oder sich selbst verbrennen; so gehts allen denen, die um das Licht, dazu niemand kommen kann, 1. Tim. 6, 16, mit ihren neu süchtigen, fürwitzigen und stolzen Gedanken flattern; das Licht erleuchtet sie nicht, sonder verblendet sie, und niemand ist untüchtiger, die göttlichen Geheimnisse zu fassen, als der, der sich derselben fähig achtet und sich durch seine sinnreiche Vernunft alles zu erforschen erkühnt. Mein Herr Jesu, du Licht der Welt, sei meiner Seele Licht! Was eine Leuchte ist ohne Licht, das ist meine Vernunft ohne deine Gnade und Geist. Gieb, daß ich hier als ein Kind des Lichts im Lichte wan
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