Das Landgut
Gotthold hatte bei einem begüterten Edelmann etliche Geschäfte auszurichten; nachdem sie nun mit denselben fertig waren und ihn derselbe, bis die Mahlzeit bereitet würde, allenthalben auf seinem Gut umher führte, sagte Gotthold: Ich halte euch für einen solchen Edelmann, der seinen Adel und Vortrefflichkeit mehr in Gottseligkeit und Tugend, als in der Eitelkeit dieser Welt sucht und setzt, darum will ich auch nicht zweifeln, daß ihr oftmals in Betrachtung dieses eures Wohlstandes euer Herz zu Gott, von dem alle gute und vollkommene Gaben herab kommen, erheben und mit Jakob sagen werdet: Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knecht gethan hast! 1. Mos. 32, 10. Wir lesen zwar, daß einmal Gott durch Josua das gelobte Land seinem Volk vermittelst des Looses hat austheilen lassen, Jos. 15, 1., wir müssen aber nicht meinen, daß solches bei andern Ländern und Völkern nicht auch geschehen sei. Gott hat den Menschenkindern die Erde gegeben, Ps. 115, 16., doch mit gewissem Maß und Eintheilung seiner göttlichen allweisen und gnädigen Vorsehung. Er hat einem jeden Menschen seinen Raum zugetheilt und dem einen viel Länder, Städte, Dörfer, Schlösser und Flecken, dem andern eine oder die andere Stadt, ein paar Schlösser und etliche Dörfer, dem dritten ein schönes Landgut, dem vierten ein wohlgebautes und wohlgelegnes Haus, einen feinen Garten, etliche Stücke Ackers, dem fünften ein Bauerhüttlein und etwas weniges von Acker dazu gegeben, und dies alles nach dem Loos seines Gutbefindens und Wohlgefallens. Daß euch nun das Loos auf so ein schönes Gut, auf solchen lustigen Sitz, auf so tragbare Aecker, lustige Wiesen, Hölzungen und Weiher gefallen, das habt ihr niemand als dem, nach dessen Willen das Loos fällt, Sprüchw. 16, 33., zu danken. Sehet aber ja dahin, daß ihr diesen euern Theil auf Erden so gebraucht, daß ihr euren Theil am Himmel nicht darüber verliert. Gott hat euch und euers gleichen mehr gegeben, nicht, daß ihr mehr, als andere euch erheben und prangen, sondern daß ihr eurem Erlöser, der nicht so viel Raums auf Erden eigen gehabt, daß er sein Haupt hat dahin legen können, Matth. 8, 20., in seinen dürftigen Gliedern damit dienen sollet, wie er selbst erinnert, sagend Luc. 16, 9.: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten. Würdet ihr aber solches vergessen und dieses eures Gutes halber hoffärtig werden, so müßte man euch auch die Landkarte vorlegen, daß ihr einem euer Haus darauf zeigen solltet, wie es ehemals Sokrates mit dem Alcibiades gemacht, zu bedeuten, daß es ein Geringes ist, was ihr von dem Erdboden besitzet, und wenn ihr denselben ganz inne hättet, was wäre das gegen den Himmel, welchen Gott für seine Kinder behalten hat? Schließlich gedenkt allezeit daran, wie groß euer letzter Raum auf Erden sein wird, nämlich etwa sechs Schuh lang und vierthalb breit. An so viel muß sich der mächtige Kaiser sowohl, als der geringste Bauer endlich genügen lassen. Dieses hat Kaiser Konstantin der Große wohl bedacht, der, als er einen unter seinen vornehmsten Bedienten dem Geiz über alle Maß ergeben verspürte, demselben mit einem Spieß, den er eben in Händen hatte, so viel Raum, als da ein menschlicher Körper liegen kann, im Sande abmaß und vorbildete, sagend: Mein, wie lange wollt ihr doch so geizig sein? Wenn ihr allen Reichthum und die Güter aller Welt besäßet, so wird euch doch endlich mehr nicht, als ein solcher Raum, wie ihr hier umschrieben seht, übrig bleiben. Darum sehet euch bei Zeiten um, wo euer Raum in der Erde, da ihr zur Erde werden wollt, sein soll! Seliger ist, der in seinem Grabe unter der Erde sanft und selig ruht, als der auf der Erde weit und breit mit seinem und vieler andern Beschwerde herrscht oder geizt.
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