Das Kommando hat der neue Mensch
Wenn ein Bauer in Westfalen ein Landgut kauft, so hatte er früher auch das "Krüppelchen" (alte Verwandte des vorherigen Besitzers, die auf dem Hofe lebten), mit zu übernehmen. Solch ein Krüppelchen redete einem jungen Bauern, der sich ein Gütchen erstanden hatte, beständig darein. Tadelte, kommandierte, setzte seine eigenen Wünsche durch, kurz, regierte den ganzen Hof. Als dies der Bauer nicht mehr aushalten konnte, ging er zum Notar, der ihm sagte, dass das Krüppelchen gar kein Recht zu regieren habe und zufrieden sein müsste, wenn es das tägliche Brot bekomme. Nun war's aus mit dem Kommandieren das sah das Krüppelchen wohl ein. Es blieb auf seine Stube verbannt. Aber was es tun konnte, um von dort aus den Bauern zu ärgern, das tat es. Nach Tisch, wenn er in seinem Zimmer ruhen wollte, zog es sich schwere Holzpantoffeln an und marschierte dröhnet über seinem Kopfe auf und nieder. Hatte er die Wände des Hauses schön frisch geweißt, so goß es sicher einen großen Eimer voll Schmutzwassers zum Fenster hinaus, über die saubere Wand hinunter, und so immerfort, so oft es eine Gelegenheit erspähte. Es peinigte den Bauern oft recht sehr. Doch er dachte: Damit will ich schon fertig werden; beherrschen kannst du mich nicht mehr! Wohl uns, wenn wir wenigstens so weit erstart sind im neuen Menschen, dass der alte nur noch das Krüppelchen ist, das uns hie und da quält; dass aber das Kommando dem neuen Menschen gehört!
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