Das Kirchengehen
Als Gottholds Leute sich anthaten, daß sie wollten in die Kirche zur Predigt gehen, sagte er zu ihnen: Sehet zu, daß ihr die rechte Kirche zu Hause nicht vergesset; euer andächtiges und den Willen Gottes zu lernen und zu vollbringen begieriges Herz ist die rechte Kirche; werdet ihr das nicht mit in die Kirche nehmen, so ist euch euer Kirchengehen nichts nütze. Ihr seht die Bilder, Pfeiler, Stühle und Bänke in der Kirche, die sind lange Jahre darin gewesen und bleiben doch leblose Dinge. Ihr aber seid vernünftige Menschen, ja, was mehr ist, getaufte Christen; ihr habt Ohren zu hören und ein Herz das Wort Gottes zu fassen; geschieht solches nicht, so seid ihr durch euer Kirchengehen nichts gebessert; ja an jenem großen Gerichtstage wäre manchem besser, daß er sein Leben lang in keine Kirche hätte kommen können, als wenn er zwar oft hinein gekommen, ohne Frucht aber und Besserung wieder heraus gegangen ist; es wird erträglicher gehen denen, die von Gottes Wort nichts gewußt, als denen, die es reichlich gehabt, oft gehört und doch nicht darnach gethan haben. Soll der Feigenbaum, der von sich selbst keine Frucht trug, abgehauen werden, wie vielmehr der, welcher, nachdem er auf das fleißigste umgegraben und gedüngt ist, dennoch fruchtlos bleibt! Luc. 13, 7. 8. Da sie nun weggingen, seufzte Gotthold bei sich selbst und sagte: ach, Herr Jesu! mein allerliebster Heiland, es sind viele Kirchen auf Erden, aber wenig Herzen, die deine Kirchen sind! Mein Erlöser! Nimm ein Mein und der Meinigen Herz, heilige es durch deinen Geist, besprenge es mit deinem Blute, schmücke es mit deiner Gerechtigkeit, treibe heraus den Satan mit aller seiner Bosheit, fülle es mit deiner Gnade, beschütze es durch deine Macht, erfreue es durch deinen Trost, erhalte es durch deine Kraft zur Seligkeit und laß es also zeitlich und ewig deine Kirche und Wohnung sein!
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