Das Hochzeitmahl

Als ein paar Personen aus Gottholds Hause zur Hochzeit wollten gehen, sagte er zu ihnen: Sehet zu, daß ihr nicht schlimmer wieder kommet, als ihr seid hingegangen. Der Satan spannt zwar sein Netz allzeit auf und sucht uns Menschen in Sünden zu stürzen, doch ist er niemals in seinem Fang emsiger und glücklicher, als bei solchen fröhlichen Zusammenkünften, und es scheint oft, als hätte er manches Menschen Bissen und Trunk mit Gift gemischt, daß er davon ganz gottlos und gleichsam rasend geworden. Darum wirds hochnöthig sein, daß ihr mit einer und anderer guten Erinnerung, als einem geistlichen Gegengift, verwahrt werdet. Aufs erste machts, wie gehorsamen lieben Gotteskindern gebührt, geht nirgends hin und gebraucht keine irdische und weltliche Freude, ehe ihr euch bei eurem himmlischen Vater in Demuth habt angemeldet und um Erlaubniß gebeten; die Gaben, deren ihr euch zur Ergötzlichkeit bedienen wollt, sind sein, die Speisen kommen aus seinem Vorrath und das Getränk aus seinem Keller, so bittet ihn um ein dankbares und fröhliches, doch auch vorsichtiges und behutsames Herz, damit ihr seiner Güter vor seinem heiligen Angesicht nicht mißbrauchen und darüber in Sünden nicht fallen möget. So gedenket denn auch, daß ihr zuvörderst des Gebets und der herzlichen Fürbitte halber für der angehenden Eheleute zeitliches und ewiges Wohlergehen zur Hochzeit eingeladen seid. Die alten Deutschen haben auch die hohen Feste Hochzeiten, hohe Zeiten genannt, weil man beide hoch und heilig halten und sie mit Gottes Lob und ernstlicher heiliger Andacht zieren soll; zusammen kommen, essen, trinken, lachen, scherzen, tanzen, trunken werden können auch die Heiden und Türken, andächtig aber und ernstlich beten allein die Christen. Das beste Hochzeitgeschenk ist ein christlicher rechtschaffener Segens- und Friedenswunsch, mit einem innigen Gebet bekräftigt. Wie kann aber der recht beten, der nur ans Prahlsucht und Ueppigkeit ohne gottseliges Nachsinnen mit einem Vorsatz der Ueppigkeit und Trunkenheit zur Hochzeit geht, oder wie kann ein solch Gebet Gott gefallen? Erinnert euch weiter, daß Gott allenthalben auch bei den hochzeitlichen Freudenmahlen zugegen ist, und daß er auf alle eure Worte, Werke und Gedanken Acht hat. Bei den Juden, auch etlichen Heiden, wie gelehrte Leute berichten, ist es gebräuchlich gewesen, daß entweder ein Priester, oder sonst ein ehrbarer ansehnlicher Mann in solchen Ehren und Lustmahlen durch die Wahlstimmen der Gäste oder durchs Loos zum Oberaufseher oder, wie man etlicher Orten redet, zum Könige erwählt ward, dessen Amt war, daß er mußte über Zucht, gute Sitten und Ehrbarkeit halten, Zank und Widerwillen verhüten oder stillen und allem Uebelstand steuern. Zu wünschen wäre, daß es unter uns Christen auch also gehalten würde; doch gedenket ihr, daß ihr bei eurer Freude einen scharfen Aufseher habt, den allwissenden und heiligen Gott, und vergesset nicht, was der weise König sagt, Pred. 11, 9.: So freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und laß dein Herz guter Dinge sein in deiner Jugend; thue, was dein Herz gelüstet und deinen Augen gefällt, und wisse, daß dich Gott um dies alles wird vor Gericht führen. Seid so lustig, daß ihr eingedenk verbleibt, ihr habt heute Abend, wenn ihr zu Hause kommt, mit eurem Gott von hochwichtigen Dingen, eure Seligkeit betreffend, zu reden, und daß ihr vielleicht noch heute sterben könntet. Die weltliche Freude gehört zur Eitelkeit, darum muß ein Gotteskind, dessen Zweck die selige Ewigkeit ist, sich nicht darin vertiefen. Bedenket auch dieses, daß, indem ihr lustig seid, esset, trinket, tanzet und dergleichen, manche hundert, ja tausend Menschen unter der Last des Kreuzes, der Armuth und mancherlei Noth seufzen, manche im Siechbette winseln und stöhnen, manche mit dem Tode ringen. So seid nun so fröhlich, daß ihr euch erinnert, das menschliche Leben sei ein Gesang von schwarzen und weißen Noten; Freude und Traurigkeit sind Gesellschafter, die nicht gerne lange von einander sind; vielleicht, wenn ihr auf den Abend von der Freude zu Hause kommt, steht das Leid an der Thür und heißt euch willkommen, darum seid guter Ding am guten Tage und am bösen Tage nehmet auch vorlieb. Pred. 7, 15. Ja am guten Tage macht euch gefaßt, den bösen zu leiden und für gut zu nehmen. Endlich, wenn ihr werdet zu Hause kommen, so vergesset nicht, eine Gewissensprüfung des verbrachten Tages halber anzustellen, zumal er ein Stück eures Lebens gewesen, davon ihr dermaleinst eurem Gott Rechenschaft geben müßt. Und wie man eine Uhr, wenn das Gewicht abgegangen ist, des Abends aufzieht, so richtet ihr euer Herz durch gottselige Andacht wieder zu Gott, wo es sich etwa den Tag über gar zu sehr nach der Erde gesenkt und herunter gelassen hat. Schließlich, haltet von keiner Lust und Freude, wo sie nicht so beschaffen ist, daß ihr auf den Morgen den Himmel fröhlich ansehen und heilige Hände zu Gott aufheben könnet.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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