Das Herzklopfen

Als Gotthold mit einem seiner Freunde von allerlei erbaulichen Dingen sprach, kamen sie unter anderm auch auf das Klopfen und die stetige Bewegung des Herzens. Davon sagte er: Wie man weiß, daß an vielen Oertern die Wasserkünste sind, durch deren stetigen Trieb und Bewegung das Wasser durch viele Röhren hin und wieder vertheilt und geleitet wird, so ist es mit dem Herzen, welches durch Gottes Schickung die Seele in stetiger Bewegung hält, damit aus demselben durch die Luft- und Pulsadern die Lebensgeister zur Erhaltung des ganzen Leibes vertheilt werden. Diese Bewegung aber kann zuweilen durch einen Zufall sehr vergrößert und verstärkt werden, wie man denn sieht, daß in Angst, Furcht und Schrecken das Herz desto geschwinder und stärker schlägt, wie eine Uhr desto geschwinder geht, wenn man ihr ein schwereres Gewicht anhängt. Als einmal ein junger Mensch in der Brust gefährlich verwundet ward, stieß ihm daher ein so ungewohntes Herzklopfen zu, daß man auch außer dem Hause, darinnen der Verwundete lag, wenn man vorüber ging und das Ohr ans Fenster legte, solches hören konnte Jener weise Richter, als er unter vielen verdächtigen Personen gerne ohne Säumniß und Weitläufigkeit einen Todtschläger erkunden wollte, hieß sie sämmtlich mit entblößter Brust in einen Kreis stehen, da er denn von einem zum andern ging, die Hand ihnen auf die Brust legte und endlich durch das starke Herzklopfen den Thäter erfaßte. Darum hat man sich billig zu hüten, daß man sein Herz und Gewissen nicht mit vorsätzlichen Sünden belästige, weil, wenn es schon in diesem Leben verborgen bleibt, wir dennoch unser Leben lang ein bebendes Herz tragen und den allwissenden Richter fürchten müssen, der alles wird ans Licht bringen, was im Finstern verborgen ist, und den Rath der Herzen offenbaren. 1. Cor. 4,5. Zuvörderst kann man die stärkere Bewegung des Herzens an sterbenden Leuten wahrnehmen, welches daher entsteht, weil das Herz wider die zunehmende Krankheit und hereindringenden Tod sich gerne wehren und, was ihm schädlich, von sich treiben will, dabei ihm aber endlich die Kräfte entgehen, daß es brechen und erliegen muß. Jener gottselige fromme Mann, als er in seinem Letzten lag und ungefähr hörte, daß die Umstehenden sagten: Ach, wie klopft ihm das Herz! sagte: Lasset euch solches nicht wundern; gleichwie ein Läufer, wenn er nun nahe zum Ziel gekommen ist, ob ihm schon der Odem und Kräfte fast entgehen wollen, so sucht er doch all sein Vermögen zusammen und eilt um desto mehr, damit ihm niemand zuvor komme; also läuft mein Herz, eilt und schlägt nach dem vorgestreckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu; Phil. 3,14. Und Gott Lob! ich bin bald hin an, ich will mein Ziel bald erreichen, ich will meinem Herrn Jesu bald in die Arme fallen! darüber sich die Umstehenden der Thränen nicht enthalten konnten und ihm hiebei beständige Kräfte durch Beistand des H. Geistes zu solchem Lauf wünschten, damit er denselben mit Freuden vollenden und die Krone der Ehren aus der Hand des Herrn Jesu empfangen mochte.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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