Das heilige Abendmahl

Bei dieser Gelegenheit kamen sie weiter und wurden von der hohen Würde des h. Abendmahls redend. Ich wundere mich zwar, sprach Gotthold, und erfreue mich herzlich über alle Wunder der Liebe Jesu Christi, doch über keines mehr, als über dies wunderbare Sakrament, darinnen er uns mit seinem h. lebendigmachenden Fleisch und theuren Blute wahrhaftig speiset und tränkt. Gleichwie die Sonne im Mittag am hellsten scheint, so leuchtet die Liebe des Sohnes Gottes in diesem wundervollen Mahl am herrlichsten. Hie hat sich sein göttliches Herz weit aufgethan wie eine Rose, die in voller Blüthe steht; er schenkt mir nicht seine Kleider, nicht sein Bild, nicht Silber oder Gold, nicht Krone oder Scepter, sondern sich selbst mit seinem ganzen Verdienst, völliger Gerechtigkeit, ganzem Himmel und Seligkeit. Als dort, 2. Sam. 12, 3., der Prophet Nathan anzeigen wollte, wie lieb der Mann sein Schäflein gehabt, sagte er: Es aß von seinem Bissen und trank von seinem Becher und schlief in seinem Schooß und er hielts wie eine Tochter. Mein Jesus speiset mich mit dem Brod des Lebens, mit sich selbst; ich trinke nicht nur aus seinem Becher, sondern auch aus seinen h. Wunden, ich schlafe (finde Ruhe für meine Seele und Freude für mein betrübtes Herz in seinem Schooß) in seiner süßen Gnade und der Versicherung seiner Liebe. Er hält mich wie seinen Sohn und Bruder, ja wie sein eigen Herz; er verbindet sich mit mir auf eine unaussprechliche Weise; er wird meine Speise, Trank, Leben, Kraft, Stärke, Freude, Trost und alles. Hier wird meine Seele mit seiner Seele, mein Leib mit seinem Leibe, mein Blut mit seinem Blut, mein Herz mit seinem Herzen, meine Schwachheit, Elend, Dürftigkeit und Unvollkommenheit mit seiner Gottheit, Herrlichkeit und Heiligkeit vereinigt, gemengt, verknüpft und durchgangen. O unbegreifliche Wunderliebe! o Jesu! du bist allezeit ein süßer Jesus und Heiland, aber nirgends schmecken und empfinden deine Gläubigen deine Süßigkeit und Freundlichkeit so sehr, als in diesem werthen Liebesmahl! Darum auch einer von denselben spricht, es sei aller Kreaturen Freude, die sie einem Herzen geben können, nichts gegen die, so es in Genießung dieses Mahls empfindet. Wenn ich hinzu trete, so sehe ich dich im Geist und Glauben mit deinen h. bluttriefenden Wunden, ich höre dich rufen: Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, hie werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Matth. 11, 28. 2«. Wenn ichs genieße, so dünkt mich, ich höre dich zu meiner Seele sagen: Ihr in mir und ich in euch! Joh. 14, 20. Wenn ich abtrete, so spricht meine Seele: Mein Freund ist mein, und ich bin sein, und er hält sich auch zu mir. Hohel. 2, 16. 7, 10. Nach dieser himmlischen Mahlzeit ist, wenn ich so reden mag, mein Confekt und Nachessen der Schluß des güldenen achten Capitels an die Römer vom 31. Vers bis ans Ende. O wie wohl ist mir dann! Wie trunken wird meine Seele! Wie getrost mein Herz! Wie hoffärtig bin ich dann gegen den Satan, die Sünde, die Hölle, den Tod und gegen die Welt mit aller ihrer Phantasei und Eitelkeit! Da dünkt mir, ich bin nicht mehr, der ich war, ich bin Christus, nicht persönlich, sondern Christi Gerechtigkeit, Sieg, Leben und alles, was er hat, ist mein eigen. Ich weiß dann nicht, ob noch Sünde, Elend, Kreuz, Noth, Tod oder Teufel mehr in der Welt sind, sondern das einige weiß ich, daß Jesus über alles herrscht und mein ist. Aber ach! ach! leider! wohin ist es mit dieser hochh. Stiftung gekommen! die tolle Vernunft will ihren Herrn lehren und meistern und hat aus dem Gedächtniß der Liebe ein Zankmahl gemacht; die Spötter und Atheisten verlachen es, die Heuchler verunehren es, der gemeine Haufe läuft unbedachtsam hinzu ohne Buße, Glauben, Liebe, Prüfung, Vorbereitung, ohne Andacht und heiligen Vorsatz. O du gottlose verfluchte Welt! was soll der gütige liebreiche Gott mehr an dir thun, als er gethan hat? Und wie könntest du es hingegen ärger machen, als du es gemacht hast? Er hat dir seinen Sohn gegeben, daraus hast du einen Sündendiener gemacht. Gal. 2, 17. Er hat dir seine Gnade reichlich dargeboten, die hast du aus Muthwillen gezogen. Jud. 4. Er hat dir sein Wort gegeben, daraus hast du ein Gespött gemacht. Er hat dir Vergebung der Sünden verheißen, daraus hast du Anlaß genommen, desto freier zu sündigen. Er hat durch seinen Sohn ein so theures Liebesmahl angerichtet, daraus hast du einen Deckmantel aller Heuchelei und Sicherheit gemacht. Nun mache voll das Maß deiner Bosheit, bald wirds der gerechte und heilige Gott in deinen Schooß schütten. Ach, Herr Jesu! laß mich unter den wenigen sein, die dich und alles, was du redest, ordnest, thust und schenkst, hoch, theuer und werth halten. Dein hochwürdiges Abendmahl sei mein Himmel auf Erden, bis ich in den Himmel komme!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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