Das gute Wetter
Als etliche Wochen nach einander ein liebliches warmes Wetter war, sagte einer: Ach, was will aus diesen heißen Tagen werden? Und was will uns der lang anhaltende Sonnenschein ohne Regen bringen? Gotthold antwortete: Wie so? ist es denn euch zuwider, daß der Himmel so freundlich ist, und daß uns die liebe Sonne nun eine geraume Zeit her stetig gleichsam anlacht? Ja, sagte der andere, man muß weiter hinaus sehen, denn, weil indessen die liebe Saat im Felde und die Früchte in den Gärten verdorren und verwelken, so möchte solches freundliche Lachen des Himmels, wie ihr redet, wol ein bitteres Weinen auf Erden verursachen. Wohl! sprach Gotthold, so lasset uns denn bei diesem Wetter bedenken, daß auch die zeitliche Glückseligkeit, welche man mit dem lieblichen Sonnenschein zu vergleichen pflegt, uns oftmals eben so nütz ist, als den Früchten das stetige gute Wetter; das Ungewitter und die düstern dicken Wolken, die oft mit einem starken Donner und Blitz die Erde erschüttern und schrecken und mit einem durchnetzenden Regen feuchten, sind unlustig, aber sie machen die Gewächse und folgends Menschen und Vieh lustig; aus solcher Finsterniß kommt das Licht, der Segen kommt mit dem Regen. So ist es auch mit der Trübsal und den Widerwärtigkeiten; sie schrecken und drücken das Fleisch, erquicken aber de n Geist, sie machen Unlust und Leid, darauf aber eine geistliche und göttliche Lust und Freude folgt. Hingegen das zeitliche stetige Wohlergehen pflegt ein Vorbote zu sein eines großen Unglücks oder wol gar des ewigen Verderbens, wie am reichen Manne und viel tausend andern zu ersehen. Denn gewiß anstatt eines einzigen, welchen etwa Unglück und Widerwärtigkeit zur Verzweiflung und ins Verderben gebracht hat, findet man wol tausend, die durch Glück und Wohlergehen sind gestürzt. Darum lasset uns allezeit unser Glück für verdächtig halten, und gleichwie man in solchen warmen Tagen in den Gärten desto fleißiger zu gießen pflegt, damit die Früchte nicht verwelken, so lasset uns bei unserem Wohlergehen desto emsiger beten, daß Gott seine Gnade nicht von uns wenden und seinen H. Geist nicht von uns nehmen wolle, daß wir durch dessen Regierung vorsichtig und demüthig wandeln und des zeitlichen Glücks zu unserm ewigen Unglück nicht mißbrauchen mögen. Mein Gott und Vater! Ich gedenke hiebei an die Worte deines Propheten, Klagl. 44., Du hast dich mit einer Wolke verdeckt, daß kein Gebet hindurch konnte. Mir gehts auch oft so mit dir, daß sich eine finstere Wolke der Traurigkeit zwischen mir und dir setzt, ich habe dawider nichts zu reden, denn sie steigt auf von meinen Sünden und Missethaten. Doch wie die Sonne auch hinter den Wolken scheint, in den Wolken wirkt und mit dem Regen ihren guten Einfluß auf die Erde schickt, so bleibst du doch mein Gott auch in Trübsal und wirkst in derselben so kräftig, daß ich deine Gnade in Kurzem an meiner Seele spüren kann. Drum, du stehest süß oder sauer, so bist du doch mein lieber Vater und mein gnädiger Gott.
© Alle Rechte vorbehalten