Das Gold im Wasser

Gotthold erinnerte sich, daß er vordem gelesen, daß in einen Becher mit Wasser bis ans Ueberlaufen gefüllt dennoch könnten viele Goldstücke hineingeworfen werden, da gleichwohl das Wasser sich nicht ergösse. Das versuchte er und fand es wahr. Ei, sagte er dabei, wie ein schönes Bild ist dies für christliche genügsame Herzen! Gott giebt uns zur täglichen Nothdurft vollauf, und wenn wir die haben, so lassen wir uns billig genügen. Er giebt auch zuweilen ein übriges, er wirft ein und ander Goldstück oben ein, daß wir einen Zehr-, Noth- und Ehrenpfennig haben mögen. Aber es sind wenig Herzen, die hiedurch nicht sollten üppig, stolz und hochmüthig werden und sich durch Pracht, Verschwendung und Verachtung des armen Nächsten nicht ergießen. Selig aber sind die, welche können mit gleichem Muth übrig haben und Mangel leiden, Phil. 4, 12., denen das Gut keinen Uebermuth verursacht, die sich in den Schranken der Demuth halten und ihrem Gott mit Dankbarkeit, ihrem Nächsten aber mit Mildigkeit begegnen. Mein Gott! gieb mir weder Reichthum, noch Armuth, Sprüchw. 30, 8. nach deinem gnädigen Willen! Du gebest aber, was du wollest, so gieb ein Herz dabei, das sich in deinen Willen demüthig zu.schicken wisse.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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