Das Gewissen

Es ward berichtet, daß ein gewinnsüchtiger Mann, als ihm in einem Handel zugeredet worden, er möchte doch sein Gewissen bedenken, ungescheut geantwortet: Was Gewissen? ich habe kein Gewissen und weiß nichts davon. Gotthold sagte: So gehts, wenn der Teufel einen Menschen zur Sünde verleitet hat, so macht er ihm dabei einen falschen Seelenfrieden und verhütet, so viel ihm möglich, daß keine bußfertige Gedanken ins Herz kommen, dämpft das Gewissen und dessen Zureden. Hört er schon das Wo«, so nimmt er es von seinem Herzen, bringts ihm stracks wiederum aus dem Sinn und läßt es bei ihm nicht hasten, damit er also desto kühner in seinen beliebten Sünden fortfahren, darinnen verharren und sich in der Hölle Stricken desto mehr verwickeln möge. Wenn man will, daß einer lange schlafen soll, so verhütet man alles Gepolter, dadurch er könnte aufgeweckt werden. Der Satan machts in diesem Fall wie ein betrüglicher Wirth, der seinem Gast die besten Worte giebt, frisch aufträgt und einschenkt, legt Würfel und Karten auf, läßt die Spielleute kommen und bittet, man wolle sich lustig bezeigen, indessen mit der Rechnung zurück hält, die er aber zu seiner Zeit also zu machen weiß, daß sich der Gast hinter den Ohren krauet. Der gefährlichste Zustand der Seele ist, wenn sie von keiner Gefahr wissen will. Die schlimmsten Hunde sind es, die nicht erst bellen, sondern stracks tückisch beißen. Das Gewissen der Gottlosen, welche sich ihrer Sünden und wegen glücklichen Fortgangs ihres Muthwillens freuen, ist wie das Feuer im nassen Holz, welches zu keiner Flamme anfangs kommen kann und das Ansehen hat, als wollte es verlöschen, wenn es aber einmal zu Kräften gekommen ist, so greift es desto weiter um sich und verzehrt alles, was es erfassen kann; sie sind dem Thiere Hyäne gleich, von welchem geschrieben wird, daß es zwar sehr arglistig ist, seinem Raub nachzugehen und die Hirten und Hunde zu betrügen, aber sehr einfältig und albern sich selbst zu verwahren; denn wenn der Jäger vor die Höhle kommt, darinnen es sich aufhält, liegt es ganz still und regt sich nicht, der Jäger ruft mit Fleiß seinen Gefährten zu: Es ist nicht hie, es ist anderswo! macht ihm indessen den Strick an einen Fuß fest, welches es alles erduldet, in Meinung, man wisse von ihm nicht; sobald der Strick angebunden, eilt der Jäger wieder heraus und pfeift aus einem andern Ton: Es ist hier! schlagt todt! auf welche Stimme das Thier ganz grimmig herausspringt und alle Kräfte versucht, zu entkommen, auch sich tapfer wehrt, bis es von den Leuten getödtet wird. So machts der Teufel mit den Gottlosen; er pfeift ihnen immer süße: Gottes Barmherzigkeit ist sehr groß! All vergeben! Es hat keine Noth! Es hat nichts zu bedeuten! u. s. w., bis er sie in seinen Stricken fest gemacht hat und von dem gerechten Gott einen Wink bekommt; da klingts anders: Du verfluchter Mensch! Du Gottesverächter! Nun Ach und Weh über deine Seele! Mir hast du gedient, ich will dir auch lohnen. Darum muß man sich an solcher Leute Reden nicht kehren, sondern sich ihrer erbarmen und Gott für sie bitten, daß er ihnen erleuchtete Augen gebe, die Gefahr ihrer armen Seele zu erkennen, und ihnen nach seiner Güte Buße gebe, daß sie wieder nüchtern werden aus des Teufels Strick, von dem sie gefangen sind zu seinem Willen. 2. Timoth. 2, 26. (Da denn der Apostel auch die Gottlosen in ihrer Sicherheit mit den Trunkenen vergleicht, denn gewiß die meisten sind den Uebelthätern gleich, die sich vollsausen, wenn sie zum Tode sollen geführt werden.) Ach, mein Herr und Gott! erbarme dich solcher Leute in Gnaden und gieb mir ein zartes und wachsames Gewissen, dem Auge gleich, welches, auch wenn ein geringes Stäublein hineingefallen ist, schmerzt und thränt. Laß mir mein Herz, wenn ich ja etwas versehen und straucheln sollte, flugs schlagen und ein Zeichen geben, wie deinem Diener David, 1. Sam. 24, 6. 2. Sam. 24, 10., damit ich mich christlich besinne und nicht sicher werde.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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