Das Gesundheittrinken
Als in einer fröhlichen Gesellschaft auf Gesundheit eines großen Herrn und folgends etlicher anderer guten Freunde getrunken wurde, sagte Gotthold zu dem, der bei ihm saß: Dieser ist auch einer von den Gebräuchen, welche die frommen und lieben Alten aus guter Meinung aufgebracht haben, von uns aber, ihren unartigen Kindern, in Mißbräuche sind verwandelt worden. Viele gelehrte, gottselige Leute stehen in der Meinung, daß das Gesundheittrinken von den Hebräern herkomme, als welche bei ihrem Wohlleben Gott zu loben und ihre Regenten, unter deren Schutz sie lebten, zu rühmen, ihnen langes Leben, beständige Gesundheit, glückliche Regierung und gesegnetes Wohlergehen zu wünschen pflegten, und ziehen dahin, was von Josephs Becher gesagt wird, daß er damit geweissagt habe. 1. Mos. 44, ö. Und wer will zweifeln, daß die Israeliten unter Davids und Salomos Regierung, als sie ein jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum sicher wohnten, aßen, tranken und fröhlich waren, 1. Kön. 4, 20.25., nicht sollten bei ihren fröhlichen Zusammenkünften ihres Königs rühmlich gedacht, ihn gesegnet und ihm alles Wohlergehen gewünscht haben? Allein daß bald hierauf der Mißbrauch sich eingedrängt hat, ist aus den Worten des Propheten abzunehmen, der da spricht: Heut ist unsers Königs Fest, sprechen sie, da sahen die Fürsten an, vom Wein toll zu werden. Hos. 7, 5. Also ist dieser Gebrauch mit seinem schändlichen Nachgänger, dem Mißbrauch, auch auf uns gekommen und hat man nunmehr kein scheinbareres und beliebteres Mittel, sich krank zu saufen und seiner eignen Gesundheit Schaden zu thun, als die Gesundheit großer Herren und guter Freunde. Daher jener eifrig gottselige englische Lehrer (Dyle) nicht unrecht sagt: „Die epikureischen Vollzapfen meinen, sie saufen Gesundheit, und saufen sich selbst unterdessen allerlei Krankheiten in die Glieder, den Tod in ihren Hals und oft den Satan gar ins Herz hinein.“ Wüßte man Maß zu halten und wollte die Freundschaft nicht nach der Größe und Vielheit der Trinkgeschirre, sondern nach einem aufrichtigen Wunsch des Herzens abmessen, hielt ich dafür, es wäre vergönnt, wie fröhlich zu sein, also auch bei fröhlichem Mutl) hohen Personen und guten Freunden Gutes zu wünschen und solches Anwünschen nach Landesgewohnheit mit einem mäßigen Trunk zu bestätigen. Ein frommer Christ aber sollte bei allen seinen Mahlen keinen Trunk, als auf Gesundheit thun, so, daß er allezeit an Gott, an seine Obern, an seine Freunde, an seine Feinde, an die Armen und Dürftigen gedächte, ihnen Gutes wünschte und seinen Trunk mit ihnen theilte. Den besten Gesundheitstrunk, der der ganzen Welt wohl bekommen ist, hat der Herr Jesus gethan, als er an seinem Kreuz mit Essig und Galle getränkt worden. Matth. 27, 34. 48. Wohl dem, der dessen stets eingedenk also trinkt, daß er nicht dermaleinst brennenden Schwefel und Pech mit den Teufeln auf seine ewige Krankheit trinken darf!
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