Das Gesinde

Gotthold ließ ein Gesinde, das eine Zeit in seinem Dienst gewesen, fragen, ob es Lust hätte, ferner bei ihm zu bleiben. Selbiges ließ zur Antwort geben, es hätte nichts zu klagen, wüßte sich auch nicht zu verbessern, wenn er nur mit ihm zufrieden wäre, begehrte es seinen Dienst nicht zu verändern. Er sagte darauf: Wir sollten es billig so mit einander machen, daß eines bei dem andern zu wohnen keinen Verdruß hätte. Es ist kein Unterschied unter Herrn und Knecht, Frau und Magd, als welchen Gott auf eine Zeit lang in dieser Welt gemacht hat. Die Sterne haben nicht einerlei Größe und Glanz, stehen aber doch an einem Himmel; also haben wir nicht einerlei Ehre, Ansehen, Güter, doch einen Gnadenhimmel, einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe, einen Gott und Vater unser aller, der da ist über uns alle und durch uns alle und in uns allen. Eph. 4, 5. 6. Wie sollte ich mein Gesinde verachten oder beleidigen, ob es mich wol Herr heißen und meines Befehls und Gefallens warten muß? Wie, wenn es eine höhere Stufe des Glaubens, der Liebe, der Demuth, der Geduld, der Vergnüglichkeit, als ich erreicht hätte? Es wird von einem Einsiedler, der sich sehr heilig hat dünken lassen, berichtet, daß ihm offenbart sei, er hätte es kaum so hoch, als eine Magd, die in einer Schenke in Diensten wäre, mit der Gottseligkeit gebracht; als er sich nun aufgemacht, dieselbe gesucht und gefragt, was ihr Thun und heilige Uebung wäre, hat sie zur Antwort gegeben, sie wäre sich keiner sonderlichen Heiligkeit bewußt, ohne daß sie ihre Hausarbeit und obliegenden Geschäfte fleißig verrichtete und eine Gewohnheit hätte, daß, wenn sie eine Tracht (Bürde) Holz aufnehme, es in die Küche zu tragen, sie mit herzlicher Liebe gedächte an den, welcher das Holz des Kreuzes aus Liebe zu ihr und allen Menschen getragen hätte. So liegt oft ein Edelstein an der Erde und bleibt doch ein Edelstein; die Perlenmutter ist rauh und unansehnlich von außen, inwendig aber prächtig, hellleuchtend und wegen ihrer werthen Frucht kostbar. So auch ein gottseliges Gesinde ist oft vor der Welt gering und schlecht, vor Gott aber groß geachtet. Nun, mein Herr und Gott! ich erinnere mich billig hiebei, daß ich dein Knecht bin, ich will auch gern in deinem Dienst bleiben. Mein Gott! ich bin mit dir sehr wohl zufrieden, ich habe nichts zu klagen, ich habe an dir einen sehr gütigen, gnädigen Herrn. Deine Weife gefällt mir wohl, deine Gebote gefallen mir wohl, deine Wege, deine Haushaltung, dein Kreuz, deine Arbeit, dein Lohn gefällt mir wohl. Ach, wenn ich es nur bisher so gemacht hätte, daß du auch mit mir könntest zufrieden sein. Doch du bist so gütig, daß du auch mit unsern Fehlern Geduld hast und regierst uns mit viel Verschonen. Weist). 12, 18. So gönne mir nun, mein Gott! die Ehre, daß ich dein Knecht sein und bleiben mag, weil ich lebe und in Ewigkeit.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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