Das Gemälde

Es hatte ein vermögender Mann etliche schöne Gemälde, damit sein Haus geziert war, herabnehmen und mit einem Federwisch und feuchtem Tuch vom Staube säubern und an die Sonne setzen lassen, mit dem Berichte, daß solche Gemälde, die mit Oelfarbe verfertigt, hievon einen neuen Glanz und vorige Schönheit wieder bekämen, da hingegen die Wasserfarbe, wenn sie einmal schmutzig geworden, sich mitsammt der Unsauberkeit abreiben ließe. Gotthold hörte dieses und konnte in Erwägung der Ursachen es leicht glauben. Er sagte aber dabei: die mit Wasserfarbe gemalten Bilder sind wie die Heuchelchristen, die den Schein eines gottseligen Wesens zwar haben, die Kraft aber verleugnen. 2. Tim. 3, 5. Sie betrügen zwar eine Zeit lang die Menschen, welche weiter, als aufs Aeußerliche nicht sehen können, aber Gott, der Herzen und Nieren prüft, kennt sie und wird sie ins ewige Feuer werfen, als die nicht werth sind, in sein himmlisches Haus zu kommen. Was aber rechtschaffene Christen sind, deren Herzen das Oel des Evangelii gänzlich durchdrungen und mit dem Blut Christi gefärbt hat, die halten die Probe und bestehen in Trübsal und werden nach der Anfechtung nur schöner. Gieb, mein Herr Jesu! daß mein Christenthum also gebildet sei, daß man bald sehe, daß es nach deinem Bilde abgerissen und gestaltet ist, daß es auch so gründlich und beständig sei, daß kein Zufall dein eigentliches Bild aus meinem Herzen tilgen könne!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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