Das Geld
Als im Beisein Gottholds eine ziemliche Summe Geldes, mehrentheils an Dukaten, ausbezahlt wurde, verwunderte sich einer darüber und sagte, er hätte so viel Gold noch nie bei einander gesehen. Gotthold antwortete: Dies ist ein Weniges gegen den großen Reichthum eines begüterten Kauf- oder Edelmanns, noch weniger gegen die Schätze eines sparsamen Fürsten oder gewaltigen Königs. Zu Zeiten Heinrich des Dritten, Königs in Frankreich, haben sich die Gefälle und Einkünfte dieses mächtigen Königreichs auf 19 Millionen Goldes belaufen, jetzt aber, wie viele Weltverständige dafür halten, sind sie so groß und mannigfaltig, daß sie schwerlich ausgerechnet werden können. Wenn ihr nun solche alle baar solltet vor euern Füßen liegen sehen in eitlen Dublonen, Pistoletten, Kronen, Dukaten und Reichsthalern, Lieber, was würdet ihr sehen? Eine scheinende Erde, ein vergängliches Gut, ein schnödes Geld. Ja, ich setze, daß ihrs nicht allein seht, sondern daß es euch auch zugehörte, was wäre es denn mehr? Sollte alles dies Geld euer Leben wol auf eine Stunde verlängern können? Wenn ihr dem Tode schon die Hälfte davon oder die ganze Summe anbieten würdet, würde er euer lachen und sagen: du Narr! meinst du, daß man allenthalben so viel vom Gelde hält, als bei euch thörichten Menschen? Ich achte des Drecks nicht, aus! und fort mit mir, du wirst sterben und nicht lebendig bleiben! Wenn einer tootkrank ist, und man legt ihn in ein von dichtem Golde gemachtes Bett, seine Polster und Pfühle wären von den zartesten und weichsten Pflaumfedern, mit Seide, Gold und Perlen gestickt, seine Labsal, Arzneien und Erquickungen würden in den köstlichsten goldenen und silbernen Geschirren ihm dargereicht, ja, wenn man seine ganze Schlafkammer mit Gold, Perlen und Edelsteinen füllte, sollte solches wol wider den Tod helfen oder ihm einige Hülfe, Linderung oder Trost schaffen können? Ich habe einen begüterten Mann gekannt, der in seinem Todbette haben konnte, was er begehrte; er hatte seinen spanischen und andern Wein, er hatte einheimisches und fremdes wohlschmeckendes Bier, er hatte köstlichen in der Apotheke bereiteten Julep vor seinem Bette stehen, und es wurde ihm solches von den Seinigen stets und willig dargeboten; allein es wollte ihm alles nicht schmecken, und er fand nicht so viel Labsal darinnen, als in dem frischen Brunnenwasser, welches er sich bringen ließ, und sagte: dies wäre eine Erquickung für seinen ausgemergelten Leib, Gottes Gnade aber und Christi Blut für seine matte und betrübte Seele. Hier war Wasser besser, als alle Schätze der Welt. Ja, wenn man einen nach seinem Tode anstatt des Sandes und der schwarzen Erde mit lauter Reichsthalern und Dukaten in seinem Grabe überschütten und seinen Sarg damit füllen und bedecken würde, so ists doch gewiß, daß ihm solches zur Seligkeit nichts dienen würde. Darum gewöhnt euch fein, daß ihr euch eben so wenig über eine Summe schönen Geldes, als über andere Erde verwundert, und sammelt euch Schätze, die der Seele zum Himmel dienen können. Denn
Hier ist kein recht Gut zu finden;
Was die Welt in sich hält,
Muß im Hui verschwinden.
Was sind dieses Lebens Güter?
Eine Hand voller Sand,
Kummer der Gemüther.
Dort, dort sind die edlen Gaben,
Da mein Hirt, Christus, wird
Mich ohn Ende laben.
© Alle Rechte vorbehalten