Das Fluchen

Gotthold hörte im Vorbeigehen vor einem Hause einen schrecklichen Fluch, welchen ein erzürntes Weib mit funkelnden Augen und bebenden Gliedern wider eins ihrer Kinder that. Ei, sprach er bei sich selbst, du schöne Christin, die du zwar zum Segnen berufen bist, 1. Petr. 3, 9., aber den Fluch für dich und die Deinigen erwählst! Was ist das Fluchen anders, als die bittre Teufelsgalle, die einer von seinem wallenden und wüthenden Herzen speit. Wie ein Topf, am Feuer stehend und siedend, geschäumt und abgeschleimt wird, also kocht der Teufel in solcher bittrer Leute Herzen lauter Gift und Galle, und der Fluch ist der abgeschleimte Schaum eines im Zorn siedenden Herzens, welchen die Zunge als des Satans Schaumkelle auf den Nächsten wirft. Und was ists Wunder, daß so gar aller Segen aus der Welt verschwindet, weil das Fluchen allenthalben überhand nimmt und fast für keine oder doch geringe Sünde gehalten wird? Hiedurck wird die Gnade und der Segen Gottes und das Blut des Herrn Jesu mit Füßen getreten und der Geist der Gnade geschmäht. Hebr. 10, 29. Hier, wo es so zugeht, da weinen und fliehen die Engel, jauchzen und versammeln sich die Teufel. Hier wird das Brod zu Kieselsteinen und Würgebirnen, und der Trank zu Otterngift und Galle. Wie darf sich mancher verwundern, daß er sich und die Seinigen muß verschwinden, verlähmen, verarmen und mit langwieriger schwerer Krankheit belegt sehen, wenn er zurückdenkt, wie oft mit Speise und Trank sie den Fluch eingeschlürft, welcher in ihr Inwendiges gegangen wie Wasser, und wie Oel in ihr Gebein? Ps. 1W, 18. Es ist noch nicht lange, daß ein Bauersmann sich mit seinem Weibe in der Ernte entzweit, weil er ein Fuder Heu zu holen gefahren, sie aber solches nicht, sondern ein Fuder Korn laden wollte; darüber fluchte er und wünschte, daß sie laden möge, daß ihr der Satan den Hals zerbreche, und sie mochte es wol nicht besser machen. Was geschieht? Als das Fuder Korn geladen ist und sie nunmehr nach gewohnter Art mit dem Baum es zubinden wollte, zerbricht der Baum und schlägt das Weib, so oben darauf lag und ihn, wie nöthig war, niederhielt, vom Wagen herab, bis fast auf das dritte Stück hin, da denn ihr Mann sie starr todt findet und aufheben muß. Das sind die Früchte des Fluchs. Ach, sprach Gotthold weiter bei sich selbst, mein Gott! behüte mich vor dieser unchristlichen und schändlichen Gewohnheit; gieb, daß ich stets segne und nicht fluche, auch meinen Feinden. Fluchen sie aber mir, so segne du! Ps. 109, 28. Denn, was du Herr segnest, das ist gesegnet ewiglich. 1. Chron. 18, 27.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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