Das Fieber
Einer von Gottholds guten Freunden lag am Fieber krank; diesen besuchte er, und da er ihn eine Weile mit freundlich tröstlichem Gespräch unterhalten und nun wieder Abschied nahm, fiel ihm im Heimgehen bei, daß ein unruhiges betrübtes Gewissen nicht unfüglich mit dem Fieber sich vergleichen lasse, maßen denn das Fieber vom unordentlichen Essen und Trinken, dadurch die Verdauungskräfte geschwächt werden, seinen Anfang nimmt, und das Gewissen von den Sünden und bösen Lüsten, die wider die Seele streiten, erregt wird. Das Fieber ist in seinen Wirkungen beschwerlich und unstät, bald bringt es Kälte, Zittern und Frieren, daß die Patienten erblassen und kaum Betten genug haben können, sich zu erwärmen, bald folgt die Hitze, die bis aufs Mark in den Knochen durchdringt und sie so schmächtig, ohnmächtig und durstig macht, daß keine Kraft bei ihnen bleibt. Ob denen, welche ihr unruhiges Gewissen ängstet, anders zu Muthe sei, wissen die, so es an ihnen selbst oder andern haben erfahren müssen. Den Fieberkranken ist alles bitter und unschmackhaft, daher sie kaum ein Bißlein oder Trünklein finden, das ihnen schmeckt; so geht es den betrübten und beängstigten Herzen, welchen nicht allein leibliche Speisen und Trank, sondern auch die Erquickung der Seele, der kräftigste Trost und die saftigsten Sprüche aus Gottes Wort bitter und zuwider werden, daß ihre meiste Klage ist, wie so gar nichts das matte Herz zustatten und zu seinem Labsal erfassen will. Im Fieber meint mancher, ihm sei nicht besser geholfen, als wenn er das kalte Wasser, den kühlen Wein oder sonst etwas Undienliches nach Belieben genießen und haben möchte, da doch die Erfahrung bezeugt, daß hierdurch nur übel ärger gemacht wird. Also meint manch Unerfahrener, daß sich die geistliche Traurigkeit und Seelenunruhe durch weltliche gesuchte Freude vertreiben und besänftigen lasse. Allein, wie die Hitze des Feuers verstärkt wird, wenn der Schmid mit seinem Kühlquast das Wasser darein sprengt, so wird die Anfechtung durch unzeitige Weltfreude nicht verringert, sondern vermehrt^ und mancher findet zu spät, daß er zu seinem heimlichen Feuer mehr Holz eingetragen hat. Das Fieber wird nicht besser, als durch bittere und widerliche Dinge vertrieben, maßen die Wermuth, Cardobenedikten, Rautt und andere dergleichen Sachen für bewährte Mittel gehalten werden; also ist wider das erregte betrübte Gewissen nichts kräftiger, als die Betrachtung des bittern Todes, schweren Angst und herben Traurigkeit des Herrn Jesu; dieses mit bittern Thränen, Seufzern und Klagen vermischt, daraus ein Büschlein Myrrhen gemacht und auf das beängstigte Herz gehangen, hilft durch Gottes Gnade unzweifelhaft/ Das Fieber dient endlich zum Besten, maßen es die bösen Feuchtigkeiten im Leibe verzehrt und ausbrennt und einem eine Erinnerung vom mäßigen Leben hinterläßt; so ist es auch mit der geistlichen Traurigkeit, die wirket zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereut, 2. Cor. 7, 10., und eine behutsame Vorsichtigkeit, die Sünde zu meiden, ein Mißtrauen in die Welt zu setzen und in heiliger Gottesfurcht zu wandeln. Mein Gott! die Gewissensunruhe ist auch unter den Dingen, die denen, so dich lieben, müssen zum Besten dienen. Sagte nicht mein Gewissen, was Unrecht ist, wie würde ich so sicher leben! Könnte denn das Gewissen auch nicht nagen und beißen, wie gering würden wir die Sünde achten. Das erregte Gewissen giebt uns einen Vorschmack der höllischen Qual, daß wir derselben zu entfliehen uns desto fleißiger mögen angelegen sein lassen. Besser, es nage an uns hier, wenn dirs also gefällt, der Gewissenswurm, da er sterben muß, wenn wir sterben, als daß er uns dort nage, wo er nimmermehr stirbt, weil wir nimmer sterben. Es muß entweder ein sonderlicher Heiliger, oder ein sicherer und stolzer Heuchler sein, der nicht weiß, wie einem betrübten Gewissen und beängstigten Herzen zu Muth ist. Ich meines Theils tröste mich deß, daß die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten. Ps. 51, 19.
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