Das falsche Vollkommenheitsstreben

Luther: "Hüte dich, mein Bruder, jemals einer solchen Reinheit nachzutrachten, dass du dir nicht mehr Sünder scheinen, ja gar kein Sünder mehr sein willst Denn Christus wohnt nur in Sündern."

Als einmal eine jugendliche, begeisterte Anhängerin von ihm Oberhofprediger D. Kögel in Berlin gegenüber von sich rühmte, dass sie seit drei Jahren keine Sünde mehr begangen habe, so antwortete ihr dieser kurz und trocken: "Dann sind sie seit drei Jahren keine wahre Christin; denn der Apostel Johannes schreibt: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns." (1. Joh. 1, 8.)

Anfangs der siebziger Jahre (19. Jhd.) hat der Engländer Pearsall Smith durch seine Lehre von der christlichen Vollkommenheit auch bei uns in Deutschland eine große Bewegung hervorgerufen. Er behauptete nämlich, nach der Bekehrung, die die Heilsgewissheit bringe, müsse noch eine zweite, durchgreifende Veränderung im Herzen vorgehen, durch welche jeder sündliche Hang im Menschen ertötet werde, so dass dieser wenigstens willentlich und wissentlich nicht mehr sündige. Von sich selbst sagte er, dass er seit 27 Jahren in diesem Stand der Sündlosigkeit sich befinde. Aber auf der Höhe seiner aufregenden Wirksamkeit tat er selbst einen bedenklichen Fall und musste sich von aller Welt zurückziehen.

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 2401
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