Das Büchsenpulver
Als man in einer Gesellschaft vom Büchsenpulver redend ward, und sich über dessen Kraft verwunderte, sagte Gotthold: Es scheint, daß Gott der Herr dies grausamste Werkzeug menschlichen Verderbens zur Strafe der überwachten Bosheit der Welt in den letzten Zeiten hat erfinden lassen, und ich weiß nicht, ob ichs uns Deutschen für eine Ehre oder Schande rechnen soll, daß der Erfinder unser Landsmann gewesen ist; er hat geheißen Barthold Schwarz, war ein Franciskanermönch und Chemikus, und ist dieses Menschengift von ihm ums Jahr l380 durch eine sonderliche Veranlassung ausgebrütet worden. Denn als er, ich weiß nicht zu was Ende, in einem Mörser ein Pulver von Schwefel und Salpeter stehen und selbiges mit einem Steine zugedeckt hatte, ungefähr aber ein Funke in dasselbe fiel, hat es sich plötzlich mit einem starken Gepolter entzündet und den Stein wider den Boden getrieben. Diesem Dinge hat der Mönch weiter nachgedacht und endlich die Büchsen zu laden und damit die Menschen zu todten erfunden, welches denn, wie es pflegt, in weiterem Nachsinnen endlich zu der schädlichen Vollkommenheit gediehen ist, darinnen wir es jetzt sehen. Was nun hieraus für unsäglicher Jammer in der Welt entstanden, ist nicht zu beschreiben; hiedurch sind seither viel tausend mal tausend Menschen grausam und plötzlich hingerichtet, hiedurch sind viele Städte erobert und zerstört und Schlösser und Festungen untergraben und zersprengt, viele Schiffe durchlöchert, verbrannt und in die Luft geflogen. Ich will euch nur einen und andern Fall erzählen, und ich weiß, die Haare sollen euch zu Berge stehen. Im Jahr Christi 1601 den 5. Juli ist die Stadt und Festung Ostende, in Flandern gelegen, von dem spanischen Kriegsheer unter dem Erzherzog Albert belagert worden; diese Belagerung hat bei vierthalb Jahre gewährt und hat alle andern übertroffen, daß man ihres gleichen nicht viel finden wird, da so große Gewalt mit Geschütz und andern ist gebraucht und so viel Volks ohne Aufhören vertilgt, wie Immanuel von Meteren davon redet, welcher berechnet, daß in den 20 ersten Monaten der Belagerung auf die Stadt geschehen über die 250,000 Schüsse, alle mit Kugeln, die zwischen 30 und 50 Pfund gewogen; aus der Stadt sind mit grobem Geschütz in denselben Monaten gethan worden in die 100,000 Schüsse, daher bald in diesen ersten Monaten mehrentheils durchs leidige Büchsenpulver umgekommen sind 18,000 Mann, in der Stadt zwischen 6 und 7000. In der ganzen Belagerung aber sollen darauf gegangen sein 78,124 Mann. Wie meint ihr, daß die Teufel lachen, wenn die Menschen so eifrig und emsig sind, sich in solcher Menge aufzureiben, davon ihnen zweifelsfrei ein großer Haufe zu Theil wird! Höret aber noch eine andere schreckliche Geschichte vom Büchsenpulver. Im Jahr 1654 den 2. Oktober zu Mittag um 11 Uhr ist zu Delft in den Niederlanden das Pulverhaus in Brand gerathen, welches einen solchen Knall und schreckliches Krachen von sich gegeben, daß männiglich vermeint, der jüngste Tag breche herein, so daß viele Menschen, die unbeschädigt geblieben, vom Schrecken gestorben. Der Rauch, Dampf und Staub hat die ganze Stadt als eine dicke finstere Wolke überzogen und bedeckt; das Pulverhaus, in welchem 150,000 Pfund Pulver sollen gewesen sein, ist aus dem Grunde umgekehrt, also, daß man an der Stelle eine tiefe Kluft gefunden, dahin sich sowohl aus dem Grunde, als andern Oertern viel stinkendes Wasser gesammelt, bei 500 Häuser sind über den Haufen geworfen, über 1200 Menschen sind todt gefunden und noch mehr beschädigt, also daß man aus den umliegenden Oertern Barbiere hat holen müssen, dieselben zu verbinden; zwei Schulhäuser mit vielen Knaben, ein Haus einer Näherin, die gleichfalls kleine Kinder unterrichtete, wie auch eines Webers Haus mit 22 Stühlen, und viele andere Häuser mehr sind mit allem Volk in die Luft geflogen. Deßgleichen kläglicher Fall ist zu Mecheln in Brabant geschehen: im Jahr 1546 den 7. August, da der Pulverthurm, von Gottes Wetter entzündet, über 500 Personen erschlagen und viele beschädigt hat. So ists geschehen 1622 den 15. Juli, daß, als ein Schiffer, Peter Jansen genannt, auf der Elbe unter Hamburg bei der neuen Mühle mit seinem wohlbeladenen Schiffe segelfertig gelegen, er vor seiner Abreise viele vornehme Leute aus der Stadt auf das Schiff zu Gaste geladen und diesen zu Ehren etliche Geschütze hat lösen lassen; da es denn geschehen, daß das Feuer ins Pulver gekommen, und das ganze Schiff mit 37 oder wie andere schreiben, mit 40 Personen, an Männern, Weibern, Jungfrauen und kleinen Kindern, aufgeflogen. In Betrachtung solcher schrecklichen und traurigen Fälle weiß ich nicht, ob man das Pulver ohne Grausen ansehen könne, und ob man nicht Ursach habe zu wünschen, daß, so lange die Welt noch steht, keines mehr gemacht würde. Doch wir wissen, daß die Kreatur der Eitelkeit und dem Dienst der Sünde und des vergänglichen Wesens unterworfen ist ohne ihren Willen, und daß sie sich mit uns sehnet und sich ängstet immerdar. Rom. 8, 20. ff. Darum
Komm doch! komm doch! du Richter groß,
Und mach uns in der Gnade los
Von allem Uebel! Amen.
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