Das bleiche Gold
Es ward Gotthold ein spanischer Dukaten gezeigt, der etwas bleicher war, als man sonst gewohnt ist, und deßhalb den Inhaber zweifeln machte, ob er auch gut und gültig wäre. Darauf sagte er: So viel ich weiß, ist etliches Gold, das zwar dem ungarischen an Farbe viel, an Werth aber nichts zuvor giebt. Deßgleichen wird dieses auch wol sein. Allein es wundert mich, daß nicht längst alles Gold viel blasser und bleicher geworden ist, weil, wie jener kluge Mann sagt, so viel Hände sind, die darnach greifen und so viel Herzen, die es so eifrig suchen, zu keinem andern Ende, als daß sie es einsperren und als den ärgsten Uebelthäter in Schlössern und Banden gefangen halten wollen. Gott hat aus allen seinen Geboten einen kurzen Auszug gemacht und gesagt: Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüth, du sollst deinen Nächsten lieben, als dich selbst. Matth. 22, 37. 39. Der Teufel hats ihm nachgethan und nunmehr alle seine Verführung in einen kurzen Begriff gebracht, welcher heißt: Du sollst Gold und Geld lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüthe, über Gott, über Recht, über Gewissen, über den Nächsten, und von allen Kräften darnach trachten Urtheilet nun, welches Gebot heutiges Tags in der Welt am meisten gehalten wird. Erinnert euch ferner bei dieser Gelegenheit, was oft das erste und äußerliche Ansehen bei uns Menschen thut. Ihr saht diesen Dukaten für falsch an, weil er keine hohe Farbe hat; so meinen wir oft, was nicht scheint und gleißt, das gilt nicht. Mancher Mensch ist schlecht und recht, einfältig, unansehnlich, arm und niedrig, und sein Herz ist dennoch voll Liebe zu Gott und dem Nächsten, und was ihm an äußerlichen Gaben fehlt, das bringt er mit einem ungefärbten Glauben, herzlicher Andacht, gottseligem Eifer und tiefer Demuth wieder ein. Darum sollen wir nicht nach dem Ansehen sofort richten, damit wir nicht verwerfen, den Gott erwählt, und verachten, den Gott hoch achtet! Mein Gott! ich will mich bemühen, daß ich durch deine Gnade der Leute Vermuthen von mir übertreffe. Wenn mich alle Welt für fromm hielte, und ich wäre es nicht, so würde ichs darum nicht; ebenso, wenn sie mich für böse ausruft, und ich bemühe mich, fromm zu sein und täglich frommer zu werden, so schadets mir nicht. Doch will ich, so viel ich kann, auch allen bösen Schein meiden und niemand Böses von nur zu vermuthen, so viel möglich ist, Anlaß geben. Herr, vor dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen! Ps. 38, 10.
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