Das Begräbnis

Ein frommer Prediger vom Lande, der sich von der Wassersucht heilen zu lassen in die Stadt gekommen war, sah dem Begräbniß eines dreivierteljährigen Kindes zu und sagte: Ei, wie fein gehts hier bei den Begräbnissen zu! und wie große Unordnung ist dagegen auf dem Lande, da mehrentheils das Leichenbegängniß wegen der schweren Kosten den Betrübten keine Erleichterung ihres Leids, sondern eine Vergrößerung verursacht! Als er dieses nach Mittag redet, stirbt er den andern Tag früh um 5 Uhr Gottholden in den Armen, nachdem er kürzlich bezeugt, daß er sich auf diese Stunde längst mit täglicher herzlicher Anrufung seines Gottes im Namen Jesu Christi um ein sanftseliges Ende hätte gefaßt gemacht. Gotthold, welchen der Verstorbene nahe anging, konnte sich anfangs in diesen unvermuthlichen Trauerfall nicht wohl schicken, und die Natur wollte ihre Thränen nicht hemmen lassen; als er aber mit herzlichem Seufzen zu Gott endlich sich wieder gefaßt und der Nebel, welcher sein Gemüth plötzlich überzogen hatte, in etwas getilgt war, nahm er Anlaß, jemand von seinen Hausgenossen zu fragen, welches das beste Begräbniß wäre. Indem sich derselbe bedachte, sagte er: Man könnte auf allerlei Art auf diese Frage füglich antworten. Josephus, der jüdische Geschichtschreiber, berichtet, daß der König David nicht allein prächtig und herrlich, wie königlichen Leichen zukommt, sondern auch mit einem großen Schatz von seinem Sohn und Nachfolger am Reiche, dem Salome, sei begraben worden, so daß zuerst Hyrkanus, der Hohepriester, und nach ihm der König Herodes eine überaus große Summe Geldes aus seinem Grabe erhoben haben. Ich muß zwar dem Josephus zutrauen, daß er die Wahrheit geschrieben, wiewohl die h. Schrift nichts davon meldet, weiß aber nicht, warum dieses von dem allerweisesten Könige geschehen sei, (denn was soll das Gold den Todten helfen, und was nützt es, daß ein Todtenkasten mit großem Gelde umlegt ist, da doch der Körper nichts desto weniger die Verwesung sieht?) wo es nicht ein Absehen und Vorbedeutung auf das Grab des Herrn Jesu gehabt, aus welchem seine Gläubigen noch täglich viel Schätze nehmen, wohin auch etliche den Spruch des Propheten ziehen, Jes. 53, 9.: Und er ist gestorben wie die Gottlosen, und begraben wie ein Reicher. Selig ist, wer reich im Glauben an seinen Erlöser und reich am Trost des H. Geistes einschläft, der wird mit einem theuern und großen Schatz begraben. In der ersten Kirche hat man die h. Blutzeugen des Herrn Jesu nicht allein ehrlich beerdigt, sondern auch ihre Gräber mit Nardenöl, Balsam und andern köstlichen fließenden Salben begossen. Was thut die Liebe nicht, auch an den Todten? Sonst bedurften keines bessern Balsams die, welche mit ihrem Blute, das sie dem h. Blute Christi zu Ehren vergossen hatten, gesalbt waren. Wie Ludwig Cortes, ein Jurist zu Padua in Italien, so lustig vermöge seines Testaments begraben worden, in welchem er verordnet, daß man ohne einiges Weinen und Klagen mit fröhlicher Musik und Saitenspiel ihn sollte beerdigen, welches auch also erfolgt, berichten unterschiedliche Schriftsteller. Wäre es geschehen aus christlicher Versicherung seines Heils, und daß er in Betrachtung des ewigen Lebens ohne Traurigkeit wollte begraben sein, (wie man auch in den alten Kirchen den Leichen brennende Lampen zum Zeichen der Freude vorgetragen und das Halleluja nebst andern Lobgesängen dabei angestimmt,) müßte man es billig für ein artiges Begräbniß passieren lassen. Es ist auch merklich, was von Kaiser Karl, dem fünften dieses Namens, berichtet wird, daß er sich sein Leichenbegängniß bei lebendigem Leibe nicht lange vor seinem seligen Abschied selbst gehalten. Wohl dem, der da stirbt, ehe er stirbt, und durch gottselige Betrachtung seines Todes ihm täglich selbst zu Grabe folgt und die Grablieder singt. Ich habe einen Mann gekannt, welcher sagte: So oft ich das Geläute der Glocken zum Begräbniß höre, gedenke ich, das nächste Mal werde es mir gelten, und schicke mich, als wenn ich noch den Tag sterben würde. Wie dünket euch aber endlich um das Begräbnis? jener gottseligen und gutthätigen Fürstin, welche so milde und mitleidend gegen die Armen im Lande gewesen, daß sie die andere l). Elisabeth genannt und von ihnen also geliebt worden, daß, da nach ihrem seligen Ableben ihr hinterlassener fürstlicher Leichnam zur Erde bestattet, die Armen im ganzen Lande herum dem Leichenbegängniß in großer Menge mit herzlichem Wehklagen über dieser ihrer milden Wohlthäterin tätlichen Hintritt beigewohnt und in der Procession ordentlich gefolgt, über welcher Leichenfolge männiglichen, wer zugesehen, die Augen übergegangen? Man könnte sich dieser Geschichte bedienen, damit zu erklären die Worte der Offenbarung Johannis, 14, 13.: Ihre Werke folgen ihnen nach. Schließet nun hieraus nach Belieben, welches das beste Begräbniß fei, und strebet darnach, daß ihr solches haben möget. Herr Jesu! ich sorge vornehmlich für meine Seele; wenn die nur die Gnade hat, welche des Bettlers Lazarus Seele, Luc. 16, 22., gehabt, so könnte es genug sein, wenn nicht mein Leib ein Tempel deines H. Geistes wäre und die Verheißung hätte, daß er aus der Erde auferweckt deinem verklärten Leibe sollte ähnlich werden. So laß mich nun von meinen wohlgerathenen Kindern und andern gottseligen Freunden zu meinem Ruhekämmerlein gebracht, und mit dem Ruhm, daß ich an dich geglaubt, dich geliebt, dich gepredigt und um deinet willen männiglichen willig gedient habe, beigesetzt werden, so genügt mir!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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