Das Ballonenspiel

Gotthold sah etliche junge Leute den Ballonen schlagen, und sagte bei sich selbst: wie eine eigentliche Vorstellung des eiteln Weltwesens ist das! Denn was ists, darum die Menschen mit allen ihren Kräften so sehr bemüht sind, darum sie reiten und rennen, rechten und fechten, lügen und trügen, sich schlagen und jagen, als eine Hand voll Wind und Eitelkeit? Sie suchen Ehre, Weisheit, Wollust, Güter, und wenn sie dies alles gefunden haben, so sind sie darum nichts besser, und es ist ihnen zur Seligkeit nichts damit gedient, wie der Weiseste unter den Königen solches aus eigner Erfahrung bekennt, daß er zwar große Dinge gethan, Häuser gebaut, Weinberge gepflanzt, Gärten angelegt, Teiche gegraben, Reichthum gesammelt und seinem Herzen keine Freude gewehrt, aber im genaueren Nachdenken endlich befunden habe, daß alles eitel und Jammer wäre, und nichts mehr unter der Sonne. Pred. t, 14. Wer wirds aber höher können bringen, als dieser so mächtige, weise und reiche König? Und wer wird denn auch mehr von aller Welt Herrlichkeit, als er, zu erwarten haben? Darum ließ jener weise Fürst in seinem Sinnbild malen etliche Ballonen mit ihren Windbüchsen und Blasbälgen, damit man sie aufbläst, und schrieb dazu: Es ist lauter Wind! das thörichte und nichtige Weltwesen zu bedeuten. Was bilden denn doch wir Menschen uns so wunder viel ein? Und was erheben wir uns, wenn wir eine Hand voll Windes mehr, als andere haben? Ist doch der Mensch nur selbst ein Ball des Glücks und Unglücks, welchen sie einer dem andern zuschlagen. Wird er hoch getrieben, so muß er tief fallen, und wenn er lang genug in der Welt hin und wieder geworfen ist, hat man sein genug, und läßt ihn endlich in der Erde liegen und verfaulen.

Ach wie nichtig, ach wie flüchtig sind der Menschen Sachen! 
Alles, alles, was wir sehen, 
Das muß fallen und vergehen, 
Wer Gott fürchtt, bleibt ewig stehen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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