Das Aufziehen

In einer Gesellschaft war ein einfältiger frommer Mensch, welchen die andern alle zum Gespött hatten und mit allerlei spitzigen und schimpflichen Reden aufzogen und, wie sie es selbst nannten, agirten. Gotthold sagte hierauf: Du liebe Einfalt und Frömmigkeit, wie gering wirst du gehalten! Ists doch nunmehr in der Welt dahin gekommen, daß schlechte und rechte Leute, von denen die Schrift so viel hält, der Welt Narren und Gespött sein müssen! Was ist aber Sünde, wenn dies nicht eine ist? Wird nicht der Herr Jesus und sein Geist in einem solchen Menschen verlacht und verhöhnt? Hält ihn nicht aufs neue Herodes und sein Hofgesinde für einen Spott? Luc. 23, 11. Und was kann ein solcher frommer Mensch anders thun, als über solchen Schimpf zu Gott seufzen? So kommt auch solche Voxirerei nirgends her, als aus Fürwitz, Hoffart und Verachtung des armen Nächsten. Darum, wenn ihr wollt fröhlich sein, so sehet zu, daß es ohne Beleidigung eures Nächsten und ohne Sünde geschehe, und gedenkt daran, daß die Menschen müssen Rechenschaft geben am jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Wort, das sie geredet haben. Matth. 12, 36. Wollt ihr aber ja eure Lust an einem Narren haben, so dürft ihr ihn nicht weit suchen. In euren Kleidern werdet ihr ihn finden, oder sehet in einen Spiegel, so wird euch sein Bild erscheinen, Erinnert euch nur, wie viel Thorheiten ihr euer Leben lang begangen, und wie oft ihr mit euren Sünden der höllischen Geister Gelächter gewesen seid, und hoffentlich, ihr werdet, andere für Narren zu halten, wol vergessen. Behüte mich, mein Gott! daß ich mich selbst nicht für klug und meinen Nächsten für albern halte, in Betrachtung, daß du wohl thust den guten und frommen Herzen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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