Darf ich denn wenigstens ein Wort aus der Bibel lesen?

In den Jahren des Kirchenkampfes sollte der Vater des verhafteten Martin Niemöller in Essen predigen. Lange vor Beginn war die Kirche überfüllt. Als der Gottesdienst beginnen sollte, verbot plötzlich die Polizei die Predigt. Niemöller fragte: "Darf ich denn wenigstens ein Wort aus der Bibel lesen?"
"Das Vorlesen aus der Bibel ist nicht verboten," sagte der Beamte, "aber Sie dürfen kein Wort hinzufügen." Da trat der alte Mann vor die Gemeinde und sprach: "Es wird mir nicht erlaubt zu reden. Aber was ich zu sagen hätte, sagt Gottes Wort besser. Ich lese Psalm 73: 'Sie prangen in Hoffart und hüllen sich in Frevel. Sie brüsten sich und tun, was ihnen einfällt. Sie achten alles für nichts und reden böse, sie reden und lästern hoch her. Was sie reden, das soll vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das soll gelten auf Erden. Darum fällt ihnen der Pöbel zu und läuft ihnen zu in Haufen wie Wasser. Ja, du stellst sie auf schlüpfrigen Grund und stürzest sie zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken' (Vers 6-10 u. 18-19)."
An dieser Stelle unterbrach der Beamte die Schriftlesung. "Das steht doch nicht so in der Bibel", protestierte er. Man gab ihm eine aufgeschlagene Bibel, und er las Vers für Vers, wie mit hellsichtiger Klarheit Wesen und Ende der Gottlosen geschildert wurde.

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 52
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