Caryophyllata. Benediktenwurzel

Dieses bekannte und schöne Kraut, welches ziemlichermaßen dem Odermennig ähnlich ist, fand Gotthold auf einer wüsten Stelle stehen, da es schon sein schwarzgelbes Blümlein abgeworfen und ein haaricht braunfarbenes Köpflein zum Samen gesetzt hatte; das grub er auf, säuberte die restliche Wurzel in etwas und empfand bald mit Lust, daß es nicht umsonst im Lateinischen von den Nägelein seinen Namen empfangen, weil nämlich die Wurzel einen fast gleichen, lieblichen Geruch von sich gab; er erinnerte sich auch, daß sie häufig gesammelt und in Bier oder Wein gehängt wird, welche dann daher nicht allein einen lieblichen Geruch und Geschmack, sondern auch eine gesegnete Kraft bekommen, das Herz zu stärken, das Geblüt zu erfrischen und den erkälteten Magen zu erwärmen. Du liebes Kräutlein, sprach er bei sich selbst, wie mancher geht über dich mit Füßen hin, der die Kraft, so dein Schöpfer in deiner Wurzel verborgen hat, nicht erkennt! Du kannst ein artiges Bild sein der wahren Christen, welche der H. Geist selbst die Verborgenen Gottes nennt. Ps. 83, 4. Gott selbst versteckt an ihnen seine Güte und verhüllt sie in viel Kreuz, Trübsal und Verachtung; sie auch haben die Art an sich deß, von dem sie den Namen haben, Christi Jesu, der seine Hoheit unter der Niedrigkeit, seine Macht unter der Schwachheit, sein Leben im Tode verborgen hat. Also suchen sie nicht ihre Ehre, sondern verbergen ihren Schatz in Demuth, müssen aber dennoch zuweilen, (wenn es Gott gefällt, einen guten Christen der Welt zur Nachfolge zu zeigen) erkannt und hervorgezogen werden. Hilf, mein Gott! daß ich unter deinen Verborgenen gerne sei und bleibe. Was schadets, wenn ich vor der Welt verachtet und unbekannt bin, wenn du nur mich als den Deinen kennst? Soll ich aber mit den Gnadengaben, die du mir verliehen hast, andern dienen, so wirst du mich wol hervor zu suchen wissen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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