Bist du Gottes Frau?

An einem kalten Wintertage fuhr eine reiche Dame in N. die Hauptstraße entlang. Da gewahrte sie einen dünn angekleideten, barfüßigen Knaben, der nachdenklich in ein Ladenfenster hineinschaute. Da sie eine freundliche Dame war, ließ sie den Wagen anhalten, ging auf den Knaben zu und fragte ihn, was er sich dort so genau ansehe. "Ach", sagte der Knabe, "ich bat Gott gerade um ein Paar Stiefel." Da nahm sie ihn bei der Hand, ging mit ihm in den Laden, bat um eine Schale mit Wasser und um ein Handtuch und begann, mit ihren mit Juwelen besetzen Händen ihm die erstarrten, besudelten Füßchen zu waschen. Inzwischen bestellte sie ein halbes Dutzend warmer Strümpfe. Ein Paar hiervon zog sie ihm gleich an; auch ließ sie ihm Stiefel anpassen und sagte dann leise zu ihm: "So, nun denke ich, wird's dir wohler sein." Mit Tränen in den Augen fasste der kleine Mann die Hände an, die ihm mit mütterlicher Liebe gedient hatten und rief aus: "Bist du Gottes Frau?" Das war ein herzbewegender Anblick für alle, die dabei standen.

Quelle: Der ewig reiche Gott, Dietrich Witt, Beispiel 1073
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