Bewahrung im Schrapnellfeuer

Ein Soldat erzählt aus den Kämpfen an der russischen Grenze 1914, wie er verwundet auf einem Verbandsplatz lag, der plötzlich unter russisches Schrapnellfeuer kam. Die Verwundeten hatten wenig Hoffnung, mit dem Leben davonzukommen, da las er den 91. Psalm für sich. "Lesen sie laut!", ließ sich eine leise Stimme neben mir hören. So las ich denn: "Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, Auf den ich hoffe..." Da tönte es durch den Kanonendonner zu mir herüber:
"Nochmals!" so las ich denn: "... Er wird dich mit seinen Fittichen decken und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild..." Einer, der weiter von mir weg lag, rief jetzt: "Lauter!" so fuhr ich fort: "... Ob tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen." so oft ich innehalten wollte, rief wieder einer: "Bitte, lesen sie es noch einmal!" so las ich denn immer wieder zu unser aller Trost: "Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen..." Zuletzt konnte ich nicht mehr. Meine Stimme versagte. Die Zunge klebte am Gaumen. Da kroch ein unter den Verwundeten liegender Offizier über die Leidensgenossen hinweg zu mir herüber und reichte mir seine Feldflasche. Leise flüsterte er mir ins Ohr: "Hören sie nicht auf. Wir haben ja sonst nichts, woran wir uns halten können." so las ich immer weiter, manchmal mit eigenen Gebetsworten das furchtbare Dröhnen um uns herum übertönend. Als nach zwei Stunden die Beschießung unseres Platzes zu Ende war, alles in der Umgebung wie eine Wüste aussah, da stellte sich heraus, dass keiner von uns von einem Geschoss getroffen worden war. Das war eine Vorlesung, die Gott persönlich uns gehalten hatte über die Frage, ob es heute noch Wunder gäbe.

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 2014
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