Bei vollen Fetttöpfen verhungert!

Der Evangelist Kurt Koch erzählt: Mein Beruf führte mich an das Krankenlager eines alten Fräuleins. Sie war abgemagert und doch nicht zu bewegen, in ihrer Krankheit kräftige Speise zu sich zu nehmen. Sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert und starb dort an Erschöpfung. Der Arzt bestätigte, dass die starke Unterernährung einen vorzeitigen Kräftezerfall herbeiführte.
Da keine direkten Nachkommen da waren, wurde vom Bürgermeisteramt die Vermögensaufnahme angeordnet. Drei Tage lang hatten die Beamten und die Gemeinderäte zu tun, um das Inventar aufzunehmen. Es ergab sich ungefähr folgendes Bild: Ein Haus, viele Äcker, 60 000 DM bar, 140 Meter Stoff, 104 Hemden, 74 Tischtücher usw., viele volle Fetttöpfe, 30 Zentner Brikett, 2 Heuwagen voll Holz. Bei all diesem Reichtum hatte dieses Fräulein nur sehr sparsam gelebt und sich im Winter kaum ein warmes Zimmer geleistet.
Wie sehr der Geiz ein Menschenherz verhärtet und die Nerven zerrüttet, geht daraus hervor, dass dieses reiche, arme Menschenkind immer in der Vorstellung gelebt hatte: Es reicht nicht! Für Flüchtlinge hatte sie fast nichts übrig. Ich selbst war einmal Zeuge, wie sie einer ausgebombten Familie einen Zentner Fallobst für 28 DM verkaufte.  -  Bei vollen Fetttöpfen verhungert! Bei vollem Kohlenkeller halb erfroren! Ist das nicht auf Erden schon ein Gericht Gottes?  -  Wie wird einmal die Bilanz unseres Lebens sein?

 

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 149
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