An eigener Anstrengung geht man zugrunde
Ich habe in der "Süddeutschen Zeitung" kürzlich etwas über ein Lawinenunglück gelesen. Bei einer Übung der Bergwacht wurden zwei junge Männer in den Schnee eingebuddelt, damit erprobt werden konnte, wie man Verschüttete finden kann. In dem Moment, als die beiden in ihrem Schneeloch sitzen, löst sich tatsächlich eine Lawine.
Nach vielen Stunden, ich glaube, es waren fast 24 Stunden, haben sie einen, der in seinem Loch verschüttet war, lebend geborgen. Die ganze Bergwacht fragte sich: "Wie kann ein Mensch in dieser Situation so lange überleben?" Der zweite war tot. Es wurde festgestellt, dass er versucht hatte, sich selber zu retten. Der andere hatte sich gesagt: "Wenn ich versuche, mich selber zu retten, dann verbrauche ich die Kraft und den Sauerstoff, der da ist. Meine einzige Hoffnung ist, jetzt zu vertrauen, dass andere mich retten. Jede Bewegung, die ich mache, ist eine Bewegung zu viel. Wenn ich gerettet werden will, dann muss ich ganz stillhalten." Und die Gewissheit, dass außen die Bergwacht ist mit all ihren Suchkräften, hat ihm geholfen, jetzt nicht das Unsinnige zu versuchen, sich selber zu retten.
Bei der Rettung eines Ertrinkenden ist es ganz ähnlich. Der Lebensretter muss manchmal mit einem Faustschlag den Ertrinkenden zur Ruhe bringen, damit der nicht dauernd krampfhaft versucht, sich noch selbst zu retten, sondern dass er sich retten lässt. Wenn mich der Lebensretter im Griff hat, dann brauche ich nicht mehr darüber zu verzweifeln, dass ich noch im Wasser bin und nicht schwimmen kann, denn ich bin schon gerettet. Ich brauche keine Angst mehr vor dem Ertrinken zu haben, ich muss nicht mit aller Gewalt um mich schlagen - in der Angst, unterzugehen. Mein Retter hält mich, nicht ich ihn.
(Peter Barall)
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