Abendmahl zum Gericht nehmen

Johannes Seitz, der gesegnete Evangelist, erzählt aus seiner Jugend, wie er eine Zeit lang ein leidenschaftliches Verlangen danach hatte, einseitig nur die Abschnitte der Weltgeschichte zu lesen, die von Krieg handelten. Ich wurde ganz versessen darauf und träumte nur von Kriegen, Schlachten, Zweikämpfen, Belagerungen und ähnlichen Dingen, wie wenn ein Kriegsteufel mich besessen hätte. Ich war so gebunden, dass mich diese Sache wie ein böser Geist in meinem Umgang mit Gott, in meinem Gebetsleben, lahmlegte, ich konnte auch eine Zeit lang nicht mehr zum heiligen Abendmahl gehen. Als unser Pfarrer einmal ankündigte, dass am nächsten Sonntag das heilige Abendmahl stattfinden werde, da erschrak ich. Denn ich glaubte, wenn ich wieder nicht zum Tisch des Herrn gehen würde, dann würde ich ein ganzer Heide. Ich ging denn auch zur Beichte, aber ich hatte die ganze Woche vor der Abendmahlsfeier einen großen, inneren Kampf; denn ich hatte wohl so viel Erkenntnis, dass man sich selbst zum Gericht essen und trinken kann, wenn man mit einer Gebundenheit zum Tisch des Herrn geht; aber es gelang mit nicht, bevor ich das heilige Mahl genoss, mich von dieser Gebundenheit zu befreien, obwohl ich betete, flehte und rang, davon frei zu werden. Trotz allen Betens und Flehens wurde ich nicht von dieser Gebundenheit frei und bekam weder vor dem Abendmahl noch nachher Vergebung, Friede und Freude. Die Folge davon war für mich, dass ich mich während der Abendmahlsfeier und nachher wie in der Hölle fühlte, wie auf dem Richtplatz. Anstatt Vergebung und Frieden kam noch an diesem Abend etwas über mich, dass ich glaubte, das Gericht Gottes sei über mich hereingebrochen. Ich legte mich vor dem Angesicht Gottes nieder und schrie um Gnade und Vergebung, dass sich ein Stein hätte erbarmen mögen. Es war eine Zeit lang, wie wenn Gott nicht hören, keine Gnade erzeigen und mich nicht retten wollte. Aber endlich hörte Gott und wandte sein Gnadenangesicht so zu mir, dass ich völlige Vergebung und Rettung erfahren durfte. 

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 25
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