Zu wem und wie soll man beten?

Zu wem und wie soll man beten: zum „himmlischen Vater“, zu „Jesus“, zum „treuen“ oder „lieben HErrn“, oder zum „Heiland“? Oder sollen wir nur zu Gott beten, in dem ja der Sohn und der Heilige Geist eingeschlossen sind? Ist es richtig, unseren Gott, den wir in Christo als unseren Vater kennen, anzurufen und anzubeten? Oder soll zur Dreieinigkeit (namentlich) gebetet werden?

Antwort A

Wenn wir uns anschicken, auf die obigen Fragen auf Grund des Wortes Gottes Antwort zu geben, so geschieht dies nicht ohne eine gewisse innere Furcht, da das Gebet wohl die höchste und erhabenste Funktion der menschlichen Seele durch den Heiligen Geist ist. Wenn wir vom Gebet sprechen, meinen wir zugleich all die verschiedenen Äußerungen einer Seele im Gespräch mit Gott. Sei es, was wir hier als die menschliche Seite, da es menschliche Bedürfnisse in sich schließt, ansehen, wie Reue, Buße, Bekenntnis der Sünden, Gebet, Flehen und Fürbitte; oder was wir die göttliche Seite des Gebets nennen möchten: Dank, Lob, Ruhm, Jauchzen, Preis, Ehre und Anbetung. Alle diese verschiedenen Ausdrücke finden wir in der Schrift. Wir können nicht auf die einzelnen Worte eingehen, obwohl die Schrift sie wohl sehr genau unterscheidet. Wir haben aber versucht, eine gewisse geistliche Reihenfolge in ihnen niederzulegen, ohne dass wir behaupten, dass diese unbedingt so sein muß.

Die Gebete sind Geheimnisse zwischen Gott und dem betenden Menschen. Darum werden in der Bibel so wenig Gebete berichtet. Und die Gebete, welche uns berichtet werden, sei es im Alten Testament und besonders in den Psalmen, oder im Neuen Testament, tragen durchweg Offenbarungscharakter, d. h. Gott macht uns durch diese Gebete ganz bestimmte Mitteilungen Seiner Gedanken. Wir sind fest davon überzeugt, dass in all den uns mitgeteilten Gebeten das Grundwesen all unserer Gebete gefunden wird. Obwohl die Gebete in der Heiligen Schrift stets im Einklang mit der jeweiligen Offenbarung Gottes sind, drücken sie dennoch all die Zustände und Bedürfnisse der Seele der Heiligen aus. Darum hat jedes Gebet der Bibel vom Anfang bis Ende einen besonderen Charakter. Dies wäre ein Studium für sich. Ganz gleich, ob wir das längste öffentliche Gebet der Bibel nehmen, welches Salomo bei der Einweihung des Tempels sprach (1. Kön. 8,23-53; 2. Chr. 6,14-42), oder die kürzesten Gebetsworte im Neuen Testament, die sowohl von reumütigen Sündern, von den Jüngern, als vom HERRN Selbst gesprochen wurden - überall strahlen uns göttliche Offenbarungsherrlichkeiten entgegen. Mit Recht hat man das Gebet „das Atmen der Seele” genannt. Doch welche Fülle von Gebeten steigt täglich zu Gott empor, von denen niemand ein Wort weiß außer Gott. Welche Herrlichkeitsfülle wird einst offenbar werden, wenn uns all diese Gebete in der Ewigkeit zur Kenntnis gelangen! Ja, möchte es für uns ein besonderer Ansporn sein in dieser gebetsarmen Zeit, mehr zu beten, mehr mit Gott zu reden, damit Er auch mehr mit uns reden kann, um für Ihn diese kurze Zeit tätig zu sein!

Wenn wir nun beginnen, unter dem Beistand des HERRN und der Leitung Seines Wortes die einzelnen Fragen durchzunehmen, sprechen wir gleich am Anfang die Bitte aus, unsere Äußerungen nicht als lieblose Kritik aufzufassen. Uns liegt nichts ferner, als die Gebete der Kinder Gottes bekritteln zu wollen. Doch die Ehre des HERRN gebietet uns, auch in unseren Gebeten den biblischen Geist und die biblische Form zu wahren. Wir glauben doch mit allen treuen Kindern Gottes darin eins zu sein. Besonders am Wort dienende Brüder sollten sich befleißigen, nicht nur vorbildlich zu leben und zu lehren, sondern auch vorbildlich öffentlich zu beten. Denn die Sprache der Gemeinden ist meist die Sprache der dienenden Brüder, wie die Sprache der Kinder die der Eltern ist. Diese Tatsache lässt sich, wenn man auch nur eine kleine Beobachtungsgabe hat, nicht wegleugnen. Hierfür ist gerade der Fragesteller ein Bespiel: Er ist in Verlegenheit, wie er Gott und den HERRN im Gebet anreden soll, da er in der Gemeinde keinerlei klare Belehrung empfangen konnte und noch jung im Glauben ist.

Wenn wir nun mit der ernsten Anrede Gottes als „himmlischer Vater” anfangen, wollen wir versuchen, biblische Feststellungen zu machen, ohne dass wir uns immer bestimmt dazu äußern werden, es vielmehr dem geistlichen Verständnis und Empfinden des einzelnen überlassen. Wir möchten nicht Formen prägen, sondern die Belehrungen des Wortes Gottes auf uns wirken lassen. „Vater in dem Himmel” („in den Himmeln”, „vom Himmel”) oder „himmlischer Vater” kommt besonders im Evangelium Matthäus vor, gerade 20mal, 10mal in der „Bergpredigt” und 10mal weiter in diesem Evangelium, zum letzten Male 23,9; dann nur 2mal in Mk. 11,25.26 und 1mal in Lk. 11,13. Dann ist es nicht mehr gebraucht im gesamten Neuen Testament, weder in der Apostelgeschichte noch in den Briefen, selbst nicht in der Offenbarung, wo wir es eigentlich manchen Auslegern zufolge finden müßten. Zeigt uns dies nicht auch, dass das Neue Testament - wie überhaupt das ganze Wort Gottes - fortschreitend in seiner Offenbarung ist? Wenn der HERR den „himmlischen Vater” den Jüngern offenbarte, geschah dieses im Gegensatz zu ihrem irdischen Vater, ob man nun den eigenen leiblichen Vater oder Abraham, von dem ja die Jünger dem Fleische nach abstammten, darunter verstehen mochte. Auf jeden Fall offenbarte der HERR ihnen den himmlischen Vater; sie waren durch den HERRN zu Ihm, dem himmlischen Vater, in Beziehung getreten. Den lebendigen Ausdruck dieser Anrede finden wir in dem sogenannten „Vaterunser”. (Mt. 6,9-13; Lk. 11,2-4) Es ist der erste Satz dieses Gebets: „Unser Vater, der Du bist in den Himmeln.” Dann folgen sieben Bitten, wovon die ersten drei Gott und Seine Rechte und die vier anderen uns und unsere Bedürfnisse und Gefahren betreffen. Diese Bitten sind ihrem Wortlaut nach in ihren Urgedanken auf die Zeit des Wartens auf das messianische Reich bezüglich, also auf die Zeit vor dem Kreuze, als der Heilige Geist noch nicht den Gläubigen gegeben war, und nach der Entrückung der Gemeinde, wo auch wieder der Heilige Geist nicht in den Gläubigen jener Zeit wohnen wird. Gegenwärtig aber, nachdem der Heilige Geist herabgekommen ist und in den Gläubigen wohnt, wird kein über den Plan und die Gedanken Gottes unterwiesener Gläubiger sich gedrängt fühlen, das „Vaterunser” zu beten. Auch wollte der HERR sicherlich nicht mit dem „Vaterunser” den Wortlaut des Gebets den Seinen vorschreiben, sondern ihnen nur ein Beispiel dafür geben, und am allerwenigsten kennt das Christentum auswendig gelernte oder sonstwie wörtlich festgelegte Gebete. Aber kein Gläubiger wird die sieben Bitten dieses Muster gebets in seinem betenden Umgang mit Gott ignorieren, sondern er wird reichlich davon Gebrauch machen nach den ihm vom Geiste gegebenen Worten in kindlicher Einfalt des Herzens, ohne sich an die bestimmten Worte des „Vaterunsers” zu halten. Ähnliche Bitten wie im „Vaterunser” haben wir in dem Gebet des HERRN für Seine Jünger Joh.17, Seinem sogenannten „hohenpriesterlichen Gebet”. Man mache damit Vergleiche! Doch finden wir das „Vaterunser” (dem genauen Wortlaut nach) nach den Evangelien nie wieder im Neuen Testament. - Wir glauben in dem Ausdruck „himmlischer Vater” den Anfang, nicht die Vollendung unserer Beziehungen zu Gott dem Vater zu erkennen, die von nun an himmlisch und nicht irdisch sind. Es werden uns im Laufe des Neuen Testaments noch tiefere Dinge geoffenbart, besonders dass wir „im Namen des Herrn Jesus den Vater bitten” dürfen nach Joh.16,23.24, eine Sache, die im Ev. Matthäus, besonders im „Vaterunser”, überhaupt nicht berücksichtigt noch erwähnt wird, weil wir dort mehr Christus auf Erden mit den Seinen sehen. Im Ev. Johannes aber wird Sein Hingehen zum Vater und die Gabe des Heiligen Geistes (Joh.16,28) zur Voraussetzung Seiner Belehrungen gemacht. Dies sind wichtige Unterschiede, die wir wohl beachten müssen. In Eph. 1,17-23 und 3,14-21 finden wir auch ganz bestimmte Anredeformen Gott gegenüber. Auch 1,3: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus”; V. 17: „... der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit”. Dementsprechend ist die nachfolgende Offenbarung, wo uns Gott als der Gott des Menschen Christus in Seiner Macht handlung gezeigt wird. In Kap. 3,14 wird Er als Vater unseres Herrn Jesus Christus vorgestellt, weil es sich hier mehr um die Liebe Christi und Gottes handelt. Wenn man uns sagt, dass Eph. 1,17ff. und 3,16ff. keine Gebete seien, obwohl sie die höchsten Offenbarungen enthalten, weil die uns vermittelten Gebete Offenbarungen sind, dann weiß ich nicht, was Gebete sind. Doch sind wir der Überzeugung, die wir auch gut biblisch beweisen könnten, wenn wir mehr Platz hätten, dass es uns nicht zukommt, zu Gott als „meinen Vater” zu sprechen (Christus tat dies, weil Er auch darin einen Vorzug hat), sondern Ihn anzureden haben als „unseren Gott und Vater”. Auch nicht: „Unser Gott und Vater in Christo Jesu”, wie man so oft hört. Diese Anrede entspricht nicht dem Worte Gottes. Sie hat vielleicht ihren Ursprung in den wiederholten Aussprüchen des HERRN, dass der Vater in Ihm sei und wer Ihn sah, den Vater sah (Joh. 10,38; 14,9-11), womit der HERR aber keineswegs eine solche Vorstellung erwecken wollte, wie sie jene Anrede ausdrückt, sondern nur zum Ausdruck brachte, dass Er die vollkommene Offenbarung des Vaters war, als Er hienieden war. Nachdem Er aber das Werk vollbracht hatte und auferstanden war, sagte Er zu Maria Magdalene: „Gehe hin zu Meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu Meinem Vater und eurem Vater, und zu Meinem Gott und eurem Gott” (Joh. 20,17b), und nachdem der Heilige Geist herabgekommen war, lesen wir in Eph. 2,18: „Denn durch Ihn” (den verherrlichten Christus) „haben wir beide den Zugang durch einen Geist zu dem Vater”, und 3,12: „... in welchem” (Christus) „wir die Freimütigkeit haben und den Zugang in Zuversicht durch den Glauben an Ihn.” Nicht die Evangelien zeigen uns unsere Stellung und Beziehung zu dem Vater - abgesehen von Joh. 17, wo der HERR vorausblickend alles als vollendet ansieht, und Joh. 20,17b -, sondern erst die Briefe, und dort finden wir nicht den geringsten Anhalt für die obenerwähnte Anrede - nie, dass der Vater uns gegenüber in Christo sei, sondern das Gegenteil: Wir sind dem Vater gegenüber in Christo, und in Ihm haben wir den Zugang zu dem Vater. Darum wird auch in den Briefen von dem Vater in Verbindung mit uns immer nur gesprochen als „unserem Vater” (Röm. 1,7; 1. Kor. 1,3; 2. Kor. 1,2); „unserem Gott und Vater” (Gal. 1,4; Phil. 4,20); „Gott, unserem Vater” (Eph. 1,2; Phil. 1,2; Kol. 1,2; 2. Thess. 1,1.2; Philem. 3); „dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus” (2. Kor. 1,3; Kol. 1,3; 1. Petr. 1,3); „dem Vater unseres Herrn Jesus Christus”. (Eph. 3,14) Diese Anreden entsprechen unserer Beziehung zu Gott als unserem Vater und sollten uns als Muster dienen.
Eine der wichtigsten Fragen ist, ob wir den HERRN in unseren Gebeten, Anreden und Ansprachen einfach mit „Jesus” benennen dürfen. Manche haben den Schluß gezogen, weil im Neuen Testament der HERR vielfach einfach mit „Jesus” belegt ist, besonders in den Evangelien, dürften wir dies auch tun. Man vergißt ganz, wie ein anderer treffend sagt, dass in der Bibel Gott redet. Und diese viel vorkommende Benennung des HERRN nur mit Seinem Namen „Jesus” ist ein Beweis von der Inspiration der Bibel, weil Gott von Seinem Sohn als „Jesus” redet. In den Evangelien kommt es zirka 600mal vor. Ein Fürst kann von seinen Kindern mit Vornamen reden; dies ist aber nie einem Minister oder sonst einem Untergebenen erlaubt. Die Jünger nennen den HERRN in den Evangelien nicht ein einziges Mal „Jesus”. (Vgl. Ev. Joh. 13,13) Eine Ausnahme, die den Zustand der zwei Jünger grell beleuchtet, finden wir in Lk.24,19: „Jesus von Nazareth”. Und wenn wir es in der Apostelgeschichte 35mal, in Hebräer 9mal, in den paulinischen Briefen 14mal, in den Briefen des Johannes 4mal und in der Offenbarung 8mal finden, trägt es dort einen besonderen Lehrcharakter. Doch wird der HERR nie im Gebet so angeredet, sondern immer mit der Ihm gebührenden Ehre. Auch wird der Name „Jesus” nie mit einem Eigenschaftswort, wie „lieber” oder „geliebter”, „süßer” oder „treuer”, verbunden. Dies ist so ungeziemend und so unbiblisch, wie man dies gar nicht genügend brandmarken kann. Dasselbe gilt in bezug auf das „Herr”, auch damit finden wir im Worte Gottes nie ein solches Eigenschaftswort verbunden. Können wir zu einem König sagen: „Lieber König?” Warum gebrauchen wir eine solche Anrede bei Ihm, Der der Herr der Herren und der König der Könige ist? Wenn wir in dem Briefe des Jakobus, des leiblichen Bruders des HERRN, feststellen müssen, dass er stets ohne jede Ausnahme Ihn, wenn immer Er genannt wird, „HErr” nennt, ist dies für uns gerade der untrügliche Beweis, dass Jakobus der leibliche Bruder des HERRN war, denn dadurch wollte Er den großen Abstand zwischen sich und dem HERRN der Herrlichkeit (vgl. 2,1) zeigen. Vergleiche auch Judas, mit welcher Ehrerbietung er von dem HERRN und Seiner Erhabenheit spricht - Judas, der auch ein leiblicher Bruder des HERRN war. Wir wundern uns oft sehr, dass selbst in den Schriften erster exegetischer Größen in der sogenannten „Brüder-Literatur” oft von „Jesus” ohne Voransetzung von „Herr” geschrieben wird. Ist dies nicht eine große Unachtsamkeit, um nicht zu sagen Unehrerbietung? Es ist für uns immer ein großer Schmerz gewesen, gerade bei diesen Brüdern, denen Gott soviel anvertraut hat, dies zu finden. Von der sogenannten „gläubigen theologischen Literatur” wollen wir nichts weiter sagen, denn da findet sich fast überhaupt keine Linie der Ehrfurcht im Nennen des Namens des HERRN. Bei der liberalen Theologie ist es nicht anders zu erwarten, weil sie die Gottheit Christi leugnet; sie spricht vom HERRN wie die jüdischen Beschwörer und die Dämonen. (Apg. 19,13-15) Sollen wir es in unseren Gebeten und Ansprachen und Schriften ihnen gleich tun, liebe Brüder? Nein, und abermals nein! Wenn man uns sagt: „Gott sieht das Herz an - es kommt auf die Worte nicht besonders an”, dann antworten wir, dass das Herz den Geist bildet. Müssen nicht im Umgang mit hochstehenden Personen bestimmte Formen gewahrt werden? Was nutzt alle Ehrerbietung im Herzen, wenn man gegen jede Regel des Anstandes und der Ehrfurcht verstößt? Die Bibel zeigt uns, dass die Jünger, die Apostel diese Formen wahrten, denen doch nicht nachgesagt werden kann, dass sie herzlose Formenmenschen gewesen seien! Und warum wollen wir nicht voneinander an der Hand der Bibel lernen? Wir wollen dies einmal prüfen und dann tun! - Ähnlich verhält es sich mit dem Brudernamen, indem man sagt: Christus sei „unser großer Bruder”.

Wer gibt uns das Recht, einen solchen Rückschluß zu machen auf Grund des Wortes: „Er schämt Sich nicht, uns Brüder zu nennen”? (Hebr. 2,11b) Ganz abgesehen davon, dass es ganz unlogisch ist, spricht es von einer sehr oberflächlichen Erkenntnis des HERRN. Manche wollen sich absolut nicht belehren lassen und in ihrer Unkenntnis, um nicht zu sagen Ehrfurchtlosigkeit, weiter beharren. Christus ist wohl Mensch, und als solcher „schämt Er Sich nicht, uns Brüder zu nennen”, doch Er ist auch Gott, und Seine Gottheit kann nie von Seiner Person geschieden werden, obwohl man diese beiden Seiten unterscheiden soll. Darum können wir Ihn nie als „unseren großen Bruder” bezeichnen, weil Er doch auch Gott ist, was wir nie sind und nie sein werden und sein können! Oder wo steht so etwas in der Bibel? Bitte, man zeige uns die Stelle! Christus hat auch als Mensch Seinen Brüdern gegenüber den Vorrang, wie ein anderer so schon gesagt hat: So ist Er das Haupt und wir sind der Leib; Er ist der Erstgeborene unter vielen Brüdern; wir sind Könige, Er aber ist der König der Könige; wir sind Priester, Er aber ist der Hohepriester; wir sind mit Freudenöl gesalbt, Er aber ist gesalbt mit Freudenöl über Seine Genossen usw.

Dass Christus als „Heiland” angeredet werden kann, geht aus dem ersten Lobgesang im Neuen Testament hervor. (Lk. 1,47) Obwohl „Heiland” 24mal im Neuen Testament vorkommt (soter wird übersetzt: „Heiland”, „Retter” und: „Erhalter”), wird es nie wieder in der Gebetsanrede, sondern nur in der Bezeugung des Heils gebraucht. Dass Maria es zum ersten Male im Neuen Testament im Gebet gebraucht, zeigt uns die göttliche Weisheit, denn darin bekundet sie, dass sie genau so des Heils benötigte wie jeder andere Mensch und darin keine Ausnahme machte.

Niemals finden wir, dass die Dreieinigkeit namentlich im Neuen Testament angeredet wird. Der Heilige Geist ist vielmehr die göttliche Person, die tätig ist, um uns im Gebet behilflich zu sein. (Vgl. Röm. 8,26 und Judas 20) Aber nie wird der Heilige Geist im Gebet angeredet (wie leider so oft in christlichen Liedern! Der Schriftl. F. K.).
Nun kommen wir zu der Frage, ob Gott der Vater oder der Herr Jesus Christus in unseren Gebeten angeredet werden soll. Auch diese Frage kann doch nur auf Grund des Wortes Gottes beantwortet und gelöst werden.

Wenn wir die Apostelgeschichte als Unterlage nehmen, finden wir, dass sowohl zum Herrn Jesus als auch zu Gott gebetet wird. Obwohl wir zirka 22 Gebete in der Apostelgeschichte finden, sind uns nur drei inhaltlich berichtet (d. h. wenn wir keins übersehen haben). Das Gebet Apg. 1,24.25 richtet sich offenbar an den Herrn Jesus, weil Er die Apostel (auch hier den Matthias!) erwählt. Das Gebet Apg. 4,24-31 richtet sich an Gott, den Allherrscher und Gebieter, den Schöpfer und Machthaber, ganz den hier in Betracht kommenden Umständen entsprechend. Wenn wir nun Apg. 7,59.60 das Gebet des sterbenden Stephanus betrachten, da wird uns besonders klar gezeigt, zu wem wir jeweilig beten können. Er sprach vom HERRN, sah den HERRN, und darum betete er zu dem HERRN. Es ist eine merkwürdige Feststellung, dass Gebete, die in besonderer Weise die Gesinnung Christi offenbaren (obwohl alle Gebete Seine Gesinnung ausdrücken sollten) und konform gehen mit ganz bestimmten Begebenheiten Seines irdischen Lebens, wie uns scheint, an Ihn gerichtet werden. Wir glauben hier einen sehr wichtigen Gegenstand vor uns zu haben. Wenn wir 2. Kor. 12,8-10 mit heranziehen, wer dächte da nicht an das dreimalige Beten des HERRN in Gethsemane? Obwohl bei dem HERRN selbstverständlich ganz anderer Seelenschmerz sich äußerte im Blick auf das Werk am Kreuze, ist doch die dreimalige Wiederholung eine gewisse Parallele. In dem bedeutungsvollen 4. Kapitel des 2. Briefes an Timotheus, V. 5-22, in dem letzten Briefe des Apostels Paulus, haben dessen letzte Worte eine solche Ähnlichkeit mit den letzten Tagen des Lebens des HERRN, dass ein genauer Vergleich tiefe Herrlichkeiten dem betenden Forscher offenbaren wird. Und da finden wir ausschließlich den HERRN genannt, nicht einmal Gott. Wir könnten unsere Belege noch vermehren, um obiges zu beweisen.

Darum hat es uns von jeher gewundert, wenn die Gemeinde zusammenkommt, um das Mahl des HERRN zu halten und Seinen Tod zu verkündigen durch Essen des Brotes und Trinken des Kelches, dass man in manchen solchen Zusammenkünften Gott anstatt den HERRN im Danksagen und in Anbetung erhebt. Wir sind überzeugt, dass dies ganz irrig ist und von großer Gedankenlosigkeit spricht. Da merkt man nichts davon, was der Apostel Paulus 1. Kor. 14,14-20 sagt, wo er 6mal vom Verstande (Verständnis) redet. Wo bleibt da unser geistliches Verständnis? Der HERR hat ausdrücklich gesagt: „Dies tut zu Meinem Gedächtnis!” Wir kommen zusammen, um Seiner zu gedenken. Darum müssen sowohl die Lieder, die wir singen, als auch unsere Danksagung mit Ihm beschäftigt sein. Er steht vor unserer Seele. Er ist es, Dessen wir gedenken, und Er ist es, Den wir anbeten. Jeder, der öffentlich sich in einer solchen Versammlung betätigt, muss Verständnis haben über das, was vor sich geht; sonst soll er lieber schweigen und nicht einmal ein Lied angeben. Wir kommen nicht zusammen, um Gottes oder unserer zu gedenken, sondern des HERRN! Wir sind überzeugt, dass an schließend Hebr. 2,12 (vgl. Ps. 22,22) in der Gemeinde Wahrheit wird (dass Christus uns in der Anbetung Seinem Gott und Vater gegenüber leitet). Doch dies wird wohl nur dann geschehen, wenn Christus den Platz hat, der Ihm in unseren Herzen und in der Gemeinde zu dieser bestimmten Stunde zukommt.

Im allgemeinen wird mehr zu Gott gebetet, wohl im Namen des HERRN. Dies finden wir auch in der Bibel, besonders wenn es sich um den Ratschluß Gottes handelt (Vgl. Eph. 1 und 3), aber auch, wenn es sich um Dinge des irdischen Lebens handelt. (Vgl. Phil. 4,6.19; Apg. 27,35; 1. Tim. 4,3-5.10) Doch wenn es sich um Nöte innerer Art, Anfechtungen usw. handelt, werden wir besonders auf den HERRN durch die Belehrungen des Wortes verwiesen, wie es uns scheint. In Hebräer ist dies ganz offenkundig. (Vgl. Hebr. 2,17.18; 4,14-16)

Wenn wir im Gebetsumgang mit Gott und dem HERRN gefördert werden wollen, ist es notwendig, die zwei großen Gebetsbücher des Neuen Testaments zu lesen: Ev. Lukas und Hebräer. In Lukas ist Christus der Mensch des Gebets. Die zwei einzigen Gebete am Kreuze - das erste und das letzte Wort - finden wir nur in Lukas. Er betete bei Seiner Taufe, bei Seiner Verherrlichung auf dem Berge, in den Nächten. Er ist der Mensch des Gebets, weil Er der Mensch der Gnade ist. Kein Wunder darum, dass wir nur in Lukas (11,1) die Bitte der Jünger, sie beten zu lehren, finden. - Beide Bücher behandeln das Priestertum Christi, und darum beide Sein Gebetsleben. (Vgl. bes. Hebr. 5,7-9) Von Ihm allein lernen wir beten, wie und wann wir es tun sollten. Wenn wir im Heiligtum, in Seiner heiligen, aber auch gnädigen Gegenwart leben, werden wir durch Ihn geführt im Gebet, damit alles Seiner würdig ist. Es wird dann wahr, was der Psalmist in Ps. 119,164 sagt: „Siebenmal des Tages lobe ich Dich um der Rechte Deiner Gerechtigkeit willen.” Wir werden „allezeit” beten, weil wir allezeit die Gnade Seiner Gegenwart atmen. Unsere öffentlichen Gebete werden dann stets im Einklang stehen mit der gegenwärtigen Offenbarung Gottes. Wir werden jetzt, wo die Verwaltung der Gnade ist, nicht Rachepsalmen beten, noch werden wir beim Mahl des HERRN Bitten vorbringen, wo nur Danksagung und Anbetung am Platze ist, noch werden wir um die Ausgießung des Heiligen Geistes bitten, nachdem Er zu Pfingsten ausgegossen ist usw. Es gibt noch vielerlei Gelegenheiten, bei denen wir, wenn vom Geist durchs Wort belehrt, anders beten (lernen) werden, als wie es oft geschieht, zumal wenn man sich von Gefühlen und Menschenmeinungen leiten läßt, die stets irreführen!
Möge es dem HERRN gefallen, uns so zu begnadigen, dass wir ein Leben des Gebets und des Umgangs mit dem HERRN führen, bis wir Ihn sehen, wie Er ist! Amen.
K. O. St.

Anmerkungen des Schriftleiters

Wenn der Fragesteller, seinem Briefe zufolge ein erst jungbekehrter Bruder in Süd-Ost-Europa, diese umfangreiche und tiefschürfende, durchaus biblisch eingestellte Antwort sieht und studiert, dann wird er verstehen, warum seine Frage (mit Beantwortung) nicht, wie er gewünscht, noch in einem der Schlußhefte 1930, sondern erst jetzt veröffentlicht werden konnte. Mögen ihm die obigen Ausführungen zum bleibenden Segen sein, und nicht nur ihm, sondern uns allen!

Unser lieber Mitarbeiter hat mich dringend gebeten, noch etwas hinzuzufügen, aber ich sehe die Notwendigkeit nicht so, und da es außerdem an Raum mangelt, so beschränke ich mich auf einige Bemerkungen, die ich zum Teil durch die beiden kleinen Zahlen 1) und 2) schon in Aussicht gestellt habe.

Zu 1. Dieser Ausdruck im Gebet „unser Gott und Vater in Christo Jesu!” ist zu verbreitet, gerade auch unter uns „freistehenden Brüdern”, als dass wir ihm nicht mehr auf den Grund gehen sollten. Ich glaube aber keineswegs, dass die Veranlassung zu dieser oben als unbiblisch gekennzeichneten Anrede die ist, die unser teurer Bruder angibt, vielmehr meine ich, dass er selber mit der Anführung von Eph. 2,18 und noch viel mehr der von 3,12 jenem Ausdruck eine Stütze bietet. Mit „Unser Gott und Vater in Christo Jesu” ist nicht eine Bestätigung der Wesenseinheit zwischen dem Vater und dem Sohne gemeint - noch nie kam mir der Gedanke, dass der Ausdruck dies besagen solle! -, sondern in ihm wird betont, dass wir als „in Christo” unserem Gott und Vater nahegebracht und erst dadurch befähigt sind, Ihm stets zu nahen. Man kann den Ausdruck als biblisch-überflüssig, nicht direkt schriftgemäß (weil in der Schrift nicht vorkommend), kennzeichnen - aber falsche oder abseits liegende Vorstellungen verbinden sich m. E. nicht nur nicht mit ihm, sondern im Gegenteil: Er gibt in Kürze zusammengefaßt das wieder, was „in Ihm”, „in Christo”, „in dem Geliebten”, in Dem Gott uns sieht, unser glückseliges Teil ist. Sein Vater und Gott ist unser Vater und Gott (nach Joh. 20,17b) geworden für uns, die wir durch Ihn und in Ihm begnadigt und angenehm gemacht sind unserem Gott! (Eph. 1,6 u. a.) Indem ich mir erlaubte, diesen Zusatz zu machen, tat ich es nicht, um die mir selber sehr kostbaren Ausführungen von Antwort A in ihrem Wert zu schmälern, sondern um Mißverständnissen vorzubeugen. Ähnlich ist es mit Anmerkung 2.)

Zu 2. Sicher ist es nicht geziemend, auch nur vom „lieben Gott” zu reden. „Gott ist Liebe” (1. Joh. 4,8 u.16), aber wir haben Ihn nicht als „den lieben Gott” anzureden! Wie oft geschieht das aber sogar in Kreisen, die es besser wissen sollten! Aber erst recht nicht - scheint auch mir - geziemt es sich vom „lieben HERRN” zu reden, zumal es hier keine Parallele wie oben in „Gott ist Liebe” gibt, wodurch der Ausdruck „der liebe Gott” entstanden sein mag. „Der HERR ist Liebe” - solch Wort enthält die Schrift nicht. Wenn wir also ein solches Werturteil aussprechen wie „o lieber HERR!” (oder wie in der frommen Mystik „Du süßer HERR”, „süßer Jesus”! [anders im Wert ist schon „o treuer Herr Jesus”, obwohl auch nicht in der Schrift]), so gehen wir weit über das hinaus, wozu die Schrift uns Anleitung gibt. Aber ich fühle mich doch - ohne dass ich unserem Mitarbeiter widersprechen möchte - innerlich veranlaßt, auf den deutschsprachlich sachlichen Unterschied hinzuweisen, der in der Anrede „lieber Herr Jesus” und „geliebter Herr Jesus” oder „geliebter HERR” - „Jesus” ohne Herr sollten wir uns schämen, je über die Lippen zu bringen (und nicht nur in Gebeten!) - liegt. Bei „lieber” bezieht sich dies Wort auf den Angeredeten, ist also ein Werturteil, das uns m. E. nicht zukommt (vgl. übrigens hier die Anrede des HERRN an den Vater in Joh. 17,25: „Gerechter Vater!”), während das Wort „Geliebter” sich auf den Anredenden bezieht; er liebt den HERRN und sagt Ihm dies. Man wird doch zugeben, dass in der Bewertung dieser beiden Anreden ein tiefgreifender Unterschied liegt. Und wenn das Wort uns auch sagt: „Kindlein, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und in Wahrheit!” (1. Joh.3,18), so ist es bei richtiger Herzensstellung des Betenden doch sicher etwas anderes, ob er in bisheriger Unkenntnis der Schriftausdrücke oder aus anderen Anschauungen heraus dem HERRN seine Liebe ausdrückt in der Gebetsanrede, als wenn er sagt: „Lieber HERR!
Aber in diesem allem, das sei mir noch zu sagen vergönnt, kommt es nicht zuerst auf die Worte an. Wohl sollten wir (vgl. Frg. 32 in Jahrb. 2!) „vermöge der Gewohnheit geübte Sinne zur Unterscheidung haben” (Hebr. 5,14), um auch in schriftgemäßen und in dem HERRN gegenüber geziemenden Ausdrücken zu reden und zu beten - und darum ist der innere Wert dieser Frage mit Antwort A gar nicht hoch genug anzuschlagen, Preis sei dem HERRN dafür! -, aber hier wie überall in unseren Beziehungen zu Gott kommt es auf das durch die Schrift und den Geist in ihr gebildete Herz an! Ist unser Herz gehorsam, so wird es auch auf diesem Gebiet fragen: „Was ist dem HERRN lieb - wie soll ich reden und beten?” Auch hier gilt dann Joh. 14,21: „Liebet ihr mich, so haltet Mein Wort!” Andererseits aber kann ein Mensch aus biblischer Erkenntnis heraus sehr geübt sein, überall schriftgemäße Ausdrücke zu wählen - und das ist recht so und nie gering einzuschätzen! -, aber ein anderer, der nicht so „geübt” ist in den biblischen Ausdrücken, der vielleicht diese Erkenntnis noch gar nicht haben kann, übertrifft jenen praktisch in der Liebe auf anderen biblischen Gebieten; und wenn das ist, so sollte ersterer vielleicht 1. Kor. 13,2 ein wenig auf sich anwenden, um seinerseits den rechten Ausgleich zu finden, und letzterer sollte sich vielleicht ein wenig „sagen” lassen, um auch auf diesem, um des HERRN Ehre willen wichtigen Gebiet aus Liebe zu Ihm und zu den Gläubigen schriftgemäßere Ausdrücke zu wählen und dadurch seinerseits zum rechten Ausgleich beizutragen!

Die größte aber von diesen ist die Liebe!” sagt 1. Kor. 13,13. Dass wir alle doch nur mehr lernten, diese Liebe („ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist”, Röm. 5,5) praktisch auf allen für uns in Frage kommenden Gebieten sich auswirken zu lassen! Wieviel mehr würde dann Er, unser HERR, verherrlicht! Das aber ist doch durch Seine Gnade unserer aller Herzen inniges Begehren! Gepriesen sei sein kostbarer Name ewiglich!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 16 (1931)