Es ist richtig, dass der Herr Jesus in den ersten drei Stunden am Kreuz unter dem Gericht der Menschen stand. Sie geisselten und kreuzigten Ihn und am Kreuz spotteten und lästerten sie über Jesus. Doch ab der Mittagszeit kam das Gericht des Vaters über den Menschensohn, indem es finster wurde (Mt 27,45ff.). Diese Finsternis hielt drei Stunden an. Das war die Zeit, in der Jesus ausrief: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» (V 46). Jesus war wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich. Als Menschensohn war Er von Gott verlassen. Gottes Gericht kam an unserer statt über Ihn. Da Er sich ja schon in Seiner Menschwerdung freiwillig selbst entäussert hatte (Phil 2,6-8), blieb Er wohl Gott, war aber auch ganz Mensch. Als solcher wurde Er ganz gerichtet und starb einen völligen Tod.
Wo war nun der Herr Jesus unmittelbar nach Seinem Tod? Er hatte Seinen Geist dem Vater übergeben: «Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist! Und als er das gesagt hatte, verschied er» (Lk 23,46). Damit lebte der Geist Jesu nach Seinem Tod sogleich weiter, denn Gott ist bekanntlich kein Gott der Toten (vgl. Mt 22,32). Jesus selbst hatte gesagt, wo Er noch am selben Tag sein würde, nämlich im Paradies (Lk 23,43). Somit wissen wir eindeutig, dass Jesu Geist sofort nach Seinem Tod im Vater ruhte und dass Er im Paradies war. Leiblich ist der Herr allerdings erst am dritten Tag auferstanden und am Tag der Himmelfahrt ist Er ins Vaterhaus zurückgekehrt (vgl. Joh 20,17). Während deutlich geschrieben steht, wo der Herr war, nämlich im Paradies, so hüllt sich die Bibel in Schweigen über die Frage, ob Er auch im Hades gewesen sei.
Sie beziehen sich wahrscheinlich auf die Aussage in 1. Petrus 3,18-20: «Denn auch Christus hat einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führte; und er wurde getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht durch den Geist, in welchem er auch hinging und den Geistern im Gefängnis verkündigte, die vor Zeiten sich weigerten zu glauben, als Gottes Langmut einstmals zuwartete in den Tagen Noahs, während die Arche zugerichtet wurde, in der wenige, nämlich acht Seelen, hindurchgerettet wurden durch das Wasser.»
Diese Stelle besagt nicht, dass der Herr Jesus nach Seinem Tod im Hades gewesen ist, um dort das Evangelium oder Seinen Sieg zu verkündigen. Vielmehr wird hier von einer ganz bestimmten Generation gesprochen, nämlich von der Generation Noahs. Wäre Jesus tatsächlich im Hades gewesen, hätte Er ja auch die Folgegenerationen der Toten erreicht. Über die Generation Noahs heisst es in 2. Petrus 2,5: «Wenn er die alte Welt nicht verschonte, sondern nur Noah, den Verkündiger der Gerechtigkeit, als Achten bewahrte, als er die Sintflut über die Welt der Gottlosen brachte ...»
Diese beiden Stellen besagen zusammengenommen, dass der Geist Christi, der den Herrn von den Toten auferweckt hat, durch Noah zu den Menschen seiner Zeit predigte, die nicht glaubten und jetzt im Hades sind. Diesbezüglich ist es auch sehr aufschlussreich, dass Gott gerade über diese Generation feststellte: «Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht für immer mit dem Menschen rechten, denn er ist ja Fleisch; so sollen seine Tage 120 Jahre betragen!» (1.Mo 6,3).
Eine weitere Stelle, die meines Erachtens oft missverstanden wird, ist 1. Petrus 4,6: «Denn dazu ist auch Toten das Evangelium verkündigt worden, dass sie gerichtet würden im Fleisch den Menschen gemäss, aber Gott gemäss lebten im Geist.»
Dieser Text besagt nicht, dass auch den Toten im Hades das Evangelium verkündet wurde. Vielmehr beschreibt er Menschen, die einmal lebten, jetzt aber tot sind. Mit anderen Worten: «Es wurde damals denen gepredigt, die jetzt tot sind.» Petrus schreibt über Menschen, die zu ihren Lebzeiten das Evangelium gehört und im Glauben angenommen hatten, aber mittlerweile verstorben waren. Diese Gläubigen wurden einmal dem Leibe nach gerichtet (den Menschen gemäss). Vielleicht ging es hierbei um solche, die den Märtyrertod erlitten hatten. Doch Gott gemäss lebten sie im Geist. Das ist übrigens ein starkes Indiz dafür, dass der an Jesus gläubige Mensch gleich nach seinem Tod weiterlebt. Er ruht nicht im Grab (Seelenschlaf), sondern lebt im Geist.