Wo sind die auferstandenen Toten geblieben?

Was geschah mit den Menschen, die bei der Auferstehung Jesu aus ihren Gräbern auferstanden? Wie ist der Bibeltext zu verstehen: «Und die Gräber öffneten sich, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt und gingen aus den Gräbern hervor nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen» (Mt 27,52-53)?

Das Matthäusevangelium zeigt uns Jesus Christus als den König und Messias Israels (dementsprechend zeigt uns Johannes Jesus als den Sohn Gottes, Lukas als den wahren Menschen und Markus als den Gottesknecht). Unter diesem Aspekt der Königsherrschaft wollen wir die Geschehnisse im Matthäusevangelium betrachten. So lesen wir: «Um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lama sabachthani, das heisst: ‹Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?› Etliche der Anwesenden sprachen, als sie es hörten: Der ruft den Elia! Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm, füllte ihn mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. Die Übrigen aber sprachen: Halt, lasst uns sehen, ob Elia kommt, um ihn zu retten! Jesus aber schrie nochmals mit lauter Stimme und gab den Geist auf. Und siehe, der Vorhang im Tempel riss von oben bis unten entzwei, und die Erde erbebte, und die Felsen spalteten sich. Und die Gräber öffneten sich, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt und gingen aus den Gräbern hervor nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen» (Mt 27,46-53). In scheinbarer Schwäche stirbt Jesus Christus. Doch gerade in Seinem Sterben erweist Er sich als König und Herrscher! So ist Er der Herr über den Tempel – der Vorhang zerreisst. Er erweist sich als Herrscher der Erde – sie wird erschüttert und die Felsen spalten sich; als Regent über den Tod – die Gräber öffnen sich; und nicht zuletzt als Herr und Meister der Schrift! Denn Matthäus berichtet: «Und die Gräber öffneten sich, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt und gingen aus den Gräbern hervor nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.» Das ist die Erfüllung einer alttestamentlichen Aussage: «Wenn ihr in das Land kommt, das ich euch geben werde, und seine Ernte einbringt, so sollt ihr die Erstlingsgarbe von eurer Ernte zum Priester bringen. Der soll die Garbe weben vor dem HERRN, zum Wohlgefallen für euch; am Tag nach dem Sabbat soll sie der Priester weben …» (3.Mo 23,10- 11). Das Fest der Erstlingsgarbe war ein Sinnbild, eine Art «Vorauszahlung» der noch ausstehenden, kommenden Ernte. Was wir nun bei der Auferstehung Jesu sehen, ist die Erfüllung dieses alttestamentlichen Sinnbilds.

Es erinnert auch an die Worte des Apostels Paulus: «Der Landmann, der die mühevolle Arbeit verrichtet, hat auch den ersten Anspruch auf den Genuss der Früchte» (2.Tim 2,6). Gleichzeitig sind diese Erstlinge nicht nur ein Siegesbeweis, sondern auch der sichtbare Beginn des Triumphes, von dem wir lesen: «Darum hat ihn Gott auch über alle Massen erhöht und ihm einen Namen verliehen, der über allen Namen ist, damit in dem Namen Jesu sich alle Knie derer beugen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters» (Phil 2,9-11). Über den Abschluss dieser Ernte lesen wir: «Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt; er ist der Erstling der Entschlafenen geworden. … Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune; denn die Posaune wird erschallen, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden» (1.Kor 15,20.51-52). Was nun genau mit diesen Auferstandenen aus Matthäus 27,46-53 geschah, das teilt uns die Schrift nicht mit. Persönlich denke ich, dass sie mit Christus in den Himmel aufgefahren sind. Paulus sagt: «Darum heisst es: ‹Er ist emporgestiegen zur Höhe, hat Gefangene weggeführt und den Menschen Gaben gegeben.› Das Wort aber: ‹Er ist hinaufgestiegen›, was bedeutet es anderes, als dass er auch zuvor hinabgestiegen ist zu den Niederungen der Erde? Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfülle» (Eph 4,8-10). Doch wir sollten uns vor Spekulationen hüten! Vielmehr geht es im Matthäusevangelium darum, uns Jesus Christus als König zu zeigen. Er ist es, der herrscht, der siegt, ja, der selbst den Tod und das Grab überwunden hat, und dem schliesslich alles dienen muss!


Beantwortet von: Samuel Rindlisbacher
Quelle: Zeitschrift Mitternachtsruf, April 2009, Seite 28