Wird ganz Israel selig?

Wie ist Römer 11,25-28 zu verstehen: wird ganz Israel selig und geschieht dies vor oder nach der Entrückung?

Antwort A

Es gibt Segnungen für Israel und Segnungen für die Gemeinde, und das Wort Gottes zeigt uns deutlich, dass nicht aller Same wahre Israeliten sind, wie auch nicht alle, die sich Christen nennen, Christen sind und einst mitentrückt werden. Der ist ein Jude, der es innerlich ist, und Beschneidung ist die des Herzens, im Geiste, nicht im Buchstaben (Röm. 2,29). In Röm. 9,27 sagt uns Paulus: „Wäre die Zahl der Söhne Israels wie der Sand des Meeres, nur der Überrest wird errettet werden.” Von diesem Überrest, der Christus erkannt hat, lesen wir Röm. 11,5: „Also ist auch in der jetzigen Zeit ein Überrest nach Wahl der Gnade.

Auf der Zusammenkunft der Apostel zu Jerusalem wies Jakobus hin auf die Verheißung des Propheten Amos und sagte: wie Gott einst die Nationen heimgesucht hat, um aus ihnen ein Volk zu nehmen für Seinen Namen, und „nach diesem will Ich zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids” (Apg. 15,14-17). Hieraus sehen wir, dass die Weissagungen von der Sammlung und Wiederherstellung Israels keine Anwendung auf die Gemeinde finden können, weil diese zuvor hinaufgenommen werden muß.

Nach der Aufnahme der Gemeinde wird Gott mit Israel wieder anknüpfen (siehe Mt. 23,39; Röm. 11,25; Lk. 21,24), in allen drei Stellen heißt es „bis”; also erst die Vollzahl und mit dieser die Entrückung - und dann folgt die Zeit für Israel. (Hierzu lies 5. Mose 30,4; Jes. 43,5-7; Hes. 34,11-13; 39,28; Amos 9,15; Jer. 31,9 u. a. m.)
Aus der Schrift sehen wir, dass Tausende von Juden im Unglauben nach Jerusalem zurückkehren und dort den Tempel wieder aufbauen, ihre religiösen Einrichtungen wieder einführen und auch als politischer Staat wieder Anerkennung finden werden. (Röm. 11,26; Jes. 17,10; 18; 66,1-3; Off. 11,1.2 u.a.) Später während der großen Drangsalszeit wird Gott in einem getreuen jüdischen Überrest ein Zeugnis für Sich auf der Erde haben; viele werden dieses Zeugnis mit dem Tode besiegeln, aber ein Überrest wird am Leben bleiben (Dan. 12,1; Off. 11,3-8; 12,13-17 usw.). Gott wird das Rufen des jüdischen Überrestes hören und der HERR wird inmitten Seiner Heiligen, die Er zuvor hinaufnahm, vom Himmel herniederkommen zum Gericht. (Jud. 14.15; Off. 19,11-16.19-21.) Nach Abschluß der weiteren Ereignisse und nachdem auch Moab, Ammon und Edom und die weiteren östlichen Völker ihr Gericht vom HERRN empfangen haben, werden die zehn Stämme zurückkehren und in Verbindung mit Juda als einheitliches Volk Israel unter dem Zepter Davids flehen und so als ganzes Israel selig werden. (Hes. 37; Röm. 11,26.27; Dan. 12,2.3; Jes. 11,11-13; Mt. 24,31 usw.)
Ph. W. (z. Zt. beim Militär).

Antwort B

Wohl ist von der Errettung von „ganz Israel” in dieser Stelle die Rede, aber unter „ganz Israel” ist ebensowenig jeder einzelne Israelit zu verstehen, wie unter der „Vollzahl der Nationen” oder Heiden jeder einzelne Heide. Wohl haben aus diesem Ausdruck einige geschlossen, dass dann jeder einzelne Jude selig werden würde, d. h. jeder, seit es ein Israel gibt, also auch die, die unbekehrt, als Feinde Gottes und Seines Gesalbten dahingeschieden sind. Aber diese Anschauung, die auf der Irrlehre von der schließlichen Errettung aller Menschen beruht, hat keinen Grund in der Schrift, sondern es handelt sich darum, dass einst „Israel als Ganzes”, d. h. in seiner gottgewollten Einheit der zwölf Stämme, von denen gegenwärtig doch nur zwei bekannt sind, vereint errettet werden wird, da „die Berufungen Gottes unbereubar sind”. Und zwar ist dieses nicht die auf dem sinaitischen Gesetz, sondern die auf dem Bunde, den Jehova mit Abraham schloß, beruhende Berufung (Röm. 9,6ff.). Auf dem Boden des Gesetzes fehlte Israel völlig und musste um der Gerechtigkeit willen verworfen werden, als es den Messias, des Gesetzes Erfüllung, verwarf, aber zu Abraham ist nichts in bezug auf ein Gesetz gesagt, da ist alle Berufung allein Gnade ohne Bedingung der Treue seitens des Volkes. Und wen Er einmal begnadigt, den begnadigt Er. (9,15.) Aber wenn Er auch des Zwölf-Stämme-Volkes als eines Ganzen Sich in Gnaden annimmt, so doch nur eines „Überrestes” aus dem Ganzen (9,27; 11,4! u. a.). Der „Überrest” hat in der Schrift eine sehr große Bedeutung - unter ungezählten Stellen siehe z. B. Sach. 13,8.9! - das darf nicht übersehen werden! Ein Überrest war auch zur Zeit Jesu da und z. B. in Simeon, Hanna, Johannes dem Täufer verkörpert. Dennoch wird es sich aber um „ganz Israel” handeln, wie es sich jetzt um die „Nationen” als Ganzes handelt, „die dem edlen Ölbaum eingepfropft sind” (V. 24) in der Zwischenzeit seit Pfingsten, genauer seit Stephanus' Steinigung oder Cornelius' Bekehrung (Apg. 7 u. 10) bis zur Ankunft des HERRN. In dieser Zeit ist Israel, d. h. „zu einem Teil”, Verstockung widerfahren. Und zwar ist dies ein „Geheimnis” (V. 25), das nur dem Paulus offenbart war und mit seiner Predigt von der Gemeinde des HERRN zusammenhing, dem „Leibe”, der auch ein Geheimnis war (Eph. 3,4ff.). Ein Teil Israels ist verstockt, d. h. der Teil, der zwischen der Verwerfung des Messias und der Wiedereinpfropfung der natürlichen Zweige (d. i. Israel) liegt. Wenn diese geschieht, müssen notwendig die in der Zwischenzeit eingepfropften Zweige fortgenommen sein. Dies ist die Christenheit, die aber als Ganzes auch nicht an der Güte geblieben ist (V. 22); doch ein Überrest aus ihr sozusagen ist es, und das ist „die Gemeinde des HERRN, die da ist Sein Leib” (Eph. 1,23). Sobald der hinweggenommen ist von der Erde durch das Kommen des HERRN für die Seinen, mittels der Entrückung (1. Thess.4), dann folgt die Zeit, in welcher in Verbindung mit furchtbaren Gerichten über die Welt und einer heiligen Abrechnung mit dem Volke Israel dieses, versammelt in seine alte Heimat, durch Gottes Güte der allen Verheißungen, die den Vätern gegeben waren, teilhaftig wird. Damit wird es wieder eingepfropft in den edlen Ölbaum und den dann lebenden Nationen unter seinem Messiaskönig Jesus zu unberechenbarem Segen (V. 15!). Von diesen Gerichten ist das Buch Daniel und die Offenbarung voll, dazu auch Mt. 24 usw. Sie werden Den sehen, in den sie gestochen haben, wenn Er kommt mit den Wolken des Himmels (Off. 1,7), und in Ihm wird „die Sonne der Gerechtigkeit dem Volke Israel erscheinen mit Heilung in ihren Flügeln” (Mal. 4,2ff.).

Bis zum Kommen des HERRN wird hienieden der Leib des HERRN gesammelt als „Behausung Gottes im Geist”, in der Juden und Nationen gleicherweise einen Platz haben ohne gegenseitigen Vorzug. Jeder, der an den Namen des Herrn Jesus glaubt, ist, ob Jude oder Heide, durch den Geist hinzugetan zu dieser Gemeinde als Glied (1. Kor. 12,13), als ein lebendiger Stein dem Hause eingefügt. Und wenn dies Bauwerk, gegründet auf Christus, den Eckstein (Mt. 16 und 1. Petr. 2), vollendet ist, dann kommt der HERR, Seine Gemeinde, d. i. Seine himmlische Brautgemeinde heimzubringen (1. Thess. 4), und dann erst beginnt Er, Israel, Seine irdische Braut, zu sammeln und zu erneuern, die später im Tausendjährigen Reich hienieden gesehen werden wird. Jetzt ist die Gemeinde hienieden, dann Israel, das als Ganzes errettet wird an jenem Tage.
F. K. (z. Z. b. M.).

Anmerkung der Schriftleitung

Wir müssen unterscheiden zwischen Juden als Personen und Israel als Volk. In diesem Kapitel (Röm. 11) finden wir beide. Es wird von einem Überrest (V. 5) gesprochen, das waren einzelne, ein kleiner Teil des jüdischen Volkes, welcher in Jesus den Messias erkannte und an Ihn glaubte. Dann spricht der Apostel in V. 26 von „ganz Israel” als einer Gesamtheit, als einem Volke. Als solches wird es an einem späteren Tage hier auf Erden errettet werden. So unterscheiden wir zwischen den einzelnen Juden, die heute durch die Gnade Christum erkennen und errettet werden, und Israel als Volk, welches verstockt ist und auf dessen Herzen heute noch die Decke liegt (2. Kor. 3,15), das aber später als zwölfstämmiges Volk zur Buße, Bekehrung und Wiederherstellung kommen wird.

In bezug auf die Wiederherstellung Israels müssen wir zwei Phasen (Entwiklungsformen) unterscheiden. Zunächst und erstens die Juden (nicht „ganz Israel”), die in eigener Kraft aus nationalen und politischen Beweggründen, aber völlig im Unglauben sich ihrem Lande zuwenden. Diese „vielen” werden ihren Tempel bauen und von den Völkern als Nation anerkannt werden, so dass sie sogar am Schluß einen Bündnisvertrag mit dem Fürsten des römischen Weltreiches schließen werden (Dan. 9,27). Den Anfang dieser Dinge sehen wir heute schon. - Aber dann kommt ein Tag, da Gott Seine Beziehungen zu dem Volke - zu „ganz Israel” wieder aufnehmen wird. Und das Resultat wird sein, dass „ganz Israel”, das zwölfstämmige Volk nicht bloß ins Land, sondern auch zu seinem Gott zurückkehrt und Christus erkennt.
Wann wird dies geschehen? Nach der Entrückung der Gemeinde; nachdem Gott aus den Nationen Seine Gemeinde herausgenommen hat: Nach diesem will ich zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids, die verfallen ist (Apg. 15,14-16). Dies wird geschehen nach der 70. Woche. Nachdem Israel durch die Tage „der großen Trübsal” hindurchgegangen ist und Gott es gerichtet und geläutert hat, wird am Ende derselben der HERR zu ihrer Errettung erscheinen. Wie das Volk Buße tun (die nicht Bußfertigen werden gerichtet) und wie der HERR erscheinen wird, davon sind die Propheten voll, z. B. Sach. 12,10 - 14,11; Hes. 37,15-28; Jer. 31,31-34 usw. Der HERR wird die Nationen der Erde richten (Mt. 25,31-46), das Tausendjährige Reich aufrichten, und so wird „ganz Israel” errettet und ein Segen für alle Geschlechter der Erde werden.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 6 (1918/19)