Antwort des Schriftleiters
Ich möchte nicht denken, dass irgend etwas, was der HERR sagt, etwa keine besondere Bedeutung habe; freilich - welche?, das ist wohl nicht immer gleich zu sehen, und darum ist obige Frage vollauf berechtigt. Über sie einiges zu sagen sei mir vergönnt!
Zunächst gebe ich den Hinweis, dass im Jahrbuch 17 aus der Feder unseres Mitarbeiters Er. Sr. ein längerer Aufsatz über „Wer ist der Mietling?” zu finden ist. Doch brauche ich hier nicht des längeren auf das Ganze der drei Gleichnisse, die unser lieber Mitarbeiter besprochen hat, eingehen.
Wenn wir das Johannesevangelium genau durchlesen, so finden wir öfter in verhältnismäßig engem Rahmen gleichlautende Aussprüche oder Ausdrücke des HERRN oder der Seinen. Ich er-innere hier nur an einige wenige, so an Kap. 1,29(ff.) und 35(ff.): „Siehe, das Lamm Gottes!” Deutlich ist der Unterschied: 1. Sündentilgung usw., 2. Gemeinschaft, oder 18,4-8: „Wen suchet ihr?” und „Ich bin's”; demgegenüber sagt Petrus zweimal „Ich bin's nicht” (17 u. 25), und zweimal ist von ihm gesagt: „er wärmte sich” (18.25). Und solcher Verdoppelten gibt es besonders im 4. Evangelium etliche, und erst die Zusammenhänge machen die Gründe zu den doppelten Aussagen klar.
Ist es so nicht auch bei den zweimaligen Aussagen des HERRN, die zur Frage stehen? Sicher! lasst uns also diese Zusammenhänge in Kürze betrachten!
Im ersten Gleichnis (das sie nicht verstanden, V. 6! Verstehen wir es?) kennzeichnet der HERR den wahren „Hirten der Schafe” im Gegensatz zu solchen, die durch ihr Verhalten („anderswo übersteigen”) sich als „Diebe und Räuber” ausweisen. Der wahre Hirte kommt auf rechtmäßigem Wege in den Hof der Schafe! Da der HERR Sich nachher als die Tür bezeichnet, denken manche, Er könne im ersten Gleichnis nicht auch Selbst gemeint sein. Warum nicht? Jedes Gleichnis besteht doch einmal ganz und gar für sich, so dass man nicht eins durch andere auslegen muss noch kann, und andererseits bestehen sie zusammen in wenigstens einem oder mehr Vergleichspunkten. Für sich bestehen sie, so dass man aus jedem den oder die Hauptpunkte leicht finden kann. Das ist im ersten vor allem der rechtmäßige Weg, der den wahren Hirten kennzeichnet. Nun ist der HERR doch wahrlich auf dem einzig rechtmäßigen Wege gekommen, dem des Willens Gottes (Joh. 5), dem des Wortes Gottes (Joh. 6), und angekündigt durch Johannes den Täufer (Kap. 1), während die bösen Hirten durch ihre Satzungen und ihren eigenen Willen, ihre Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe kamen und sich ein ihnen nicht von Gott zuerkanntes Recht über die Herde anmaßten. (Joh. 8 u. a.) (Ich deute das alles nur an, ohne es näher durch einzelne Schriftstellen zu belegen, es ist ja nicht der Gegenstand der Frage.)
Insoweit besteht also das erste Gleichnis ganz für sich. Das gedankliche Verbindungsglied zu den anderen zwei Gleichnissen aber ist m. E. dieses: So wie Ich auf rechtmäßigem Wege gekommen und dadurch erwiesen bin als der „Hirte der Schafe”, so müssen alle, welche rechte Hirten der Schafe sein wollen, aber auch alle, die zu Meinen Schafen (Hes. 34!) gehören sollen, durch die rechte Tür eingehen und den rechten Hirten erkennen. (Dies alles auf die kürzeste Art gesagt!) Beides aber bin Ich! Ja, das ist Er: sowohl „Tür” als „Hirte”, „Tür im zweiten Gleichnis (V. 7-10), „Hirte” im dritten Gleichnis (V. 11-18 usw.). Das zu sehen ist wichtig!
Ich verlasse nun diese Art der Zusammenfassung dieser drei Gleichnisse und gehe über auf die eigentliche Frage!
Es wäre deutlicher, wenn das erste„Ich bin die Tür der Schafe” so übersetzt würde (was natürlich auch erlaubt ist): „Ich bin die Tür zu den Schafen.” (V. 7) Der nächste Vers macht klar, inwiefern: Da sind andere gekommen, aber sie kamen nicht durch die einzige, rechte Tür zu den Schafen, darum hörten die (rechten) Schafe auch nicht auf sie. - Zweitens:„Ich bin die Tür.” (V. 9) Inwiefern diese zweite Bezeugung der doch schon im vorletzten Verse gegebenen Aussage? Vers 10 macht es deutlich: Ich bin die Tür - auch für die Schafe, d. h. sie selber müssen auch durch Mich (hindurch) eingehen. Tun sie das, dann sind sie errettet und werden in neue, freie, herrliche Lebensbeziehungen gebracht. Also die beiden Aussagen des HERRN „Ich bin die Tür” deuten ganz verschiedene Beziehungen an:
1. Die Tür und die durch dieselbe Eingehenden zu den Schafen;
2. die Tür und die durch dieselbe eingehenden Schafe.
Im ersteren Falle sind gleichsam die gemeint, welche den Menschen helfen wollen, errettet zu werden und somit Schafe des HERRN zu werden; die zu ihnen Kommenden müssen durch die rechte Türe kommen (Christus!), d. h. praktisch: Sie müssen erst selber errettet sein, ehe sie anderen dienen können, Schafe Jesu Christi zu werden. Im zweiten Falle: Wer in Lebensbeziehung zum HERRN kommen will, muss durch Ihn, die rechte Tür, eingehen, dann wird er errettet und befreit werden.
Kürzer gesagt:
1. Die Tür (Christus) und die Führer zum Heil.
2. Die Tür (Christus) und die zum Heil Geführten.
Auf die gleiche Weise betrachten wir nunmehr den zweifachen Ausdruck des HERRN im dritten Gleichnis:
„Ich bin der Gute Hirte.”
Bezog sich das vorherige Gleichnis mehr auf die Führer und die Geführten, die beide es nur werden auf dem Wege durch die „Tür”, so bezieht sich das vorliegende dritte Gleichnis mehr auf Ihn Selber, den, der ja „Tür” und „Hirte” in einer Person ist, also hier auf Ihn als den Hirten:
1.„Der Gute Hirte” weist sich aus als solcher dadurch, dass Er Sein Leben gibt für die Schafe. (V. 11) (Gepriesen sei Er in Ewigkeit!)
2.„Der Gute Hirte” kennt (im Vollsinn von „Gemeinschaft machen”) die Seinen, hat sie, gehört ihnen, sie aber gehören Ihm, sie sind so mit Ihm verbunden wie Er und der Vater. (V. 14) (Wunderbar, anbetungswürdig groß!)
Im ersten Falle steht der „Gute Hirte” dem „Mietling” gegenüber. Wer das ist, braucht hier nicht weiter untersucht zu werden, jedenfalls sind solche gemeint, die in Wahrheit „nicht Hirten” sind, denen die Schafe nicht zu eigen sind, die nimmermehr für sie sterben würden, sie nicht durch ihren Tod (wie der Gute Hirte durch Seinen Tod) erworben haben, sie vielmehr dem Wolf, dem Erzfeind, dem „alt-bösen Feind” kampflos überlassen würden.
Im zweiten Falle ist ein ähnlicher Gegensatz ja nicht vorhanden (durch Gegensatz-Aufzeigen wird ja oft eine Sache sehr geklärt!), es sei denn, dass wir einen sähen in der Tatsache, dass hier mit dem zweiten „Ich bin der Gute Hirte” auch die „anderen Schafe”, die Er hinzubringen will, in Verbindung stehen, worin ja für die Juden (Judenchristen) stets eine große Schwierigkeit lag. Sie haben sich nur sehr schwer daran gewöhnen können, die Heidenchristen als vollberechtigt anzuerkennen, ja, überhaupt mit solchen zu rechnen (Apg. 10 und späterhin). Aber es wird eine Herde zustandekommen, weil ein Hirte! Aber, wenn wir hier auch einen Gegensatz sehen können, so ist der doch nicht der Gegenstand hier. Das zweite„Ich bin der Gute Hirte” hat vielmehr dem ersten gegenüber die wunderbarsten „Ausgestaltungen” aufzuweisen, weswegen es als selbständig neue Aussage wahrlich seine göttliche Berechtigung hat. Diese „Ausgestaltungen” sind folgende, soweit ich sehe: 1. Er spricht in Verbindung mit Seinem Hirtendienst von denen, für die Er „der Gute Hirte” ist: von den Seinen! Er nennt und kennt sie als „die Meinen”; 2. diese aber kennen wiederum Ihn! Es ist ein Gemeinschaftsverhältnis zwischen ihnen und Ihm, so wie zwischen Ihm und dem Vater, auf der gleichen Grundlage, der Liebe! 3. Der HERR sprach im ersten Fall (V. 11) in der dritten Person: Er lässt sein Leben ...; hier aber spricht Er ganz persönlich: „Ich lasse Mein Leben ...”, und dies Wort wird dann weiter ausgeführt in V. 17 und 18, wo es wieder aufgenommen und in köstlicher Weise beschrieben wird als die freiwillige Tat des Sohnes, derentwegen Ihn der Vater liebe usw. Wie redet dies alles zu unseren Herzen! 4. Weiter spricht Er von den „anderen Schafen” (siehe oben!); auch sie werden Seine Stimme hören usw., und es wird 5. dahin kommen, dass „Eine Herde” unter „Einem Hirten” sein werde. Auf Vers 17 und 18 wies ich ja schon oben hin, aber wenn man will, so kann man das in diesen Versen Gesagte als 6. und 7.„Ausgestaltung” zählen. - Wie berechtigt also ist doch dies zweimalige „Ich bin der Gute Hirte!” Noch einmal in kürzerer Zusammenfassung gesagt wie bei dem doppelten „Ich bin die Tür”:
1. Der Gute Hirte im (beschriebenen!) Gegensatz zum Mietling.
2. Der Gute Hirte und die Seinen, oder der Gute Hirte in allen Seinen herrlichen Bezeugungen zum Wohle der Seinen, mit denen Er in den innigsten Beziehungen steht.
Von diesen, den Seinen, hat Er dann noch manches zu sagen - wie teuer sind wir Ihm, und wie köstlich ist und wird Er doch fortgesetzt als der Gute Hirte erwiesen - in den Versen 26 bis 30! Wahrlich, „es ist etwas, ein Schäflein Christi sein”. Aber wenn man auch solchen Hirten hat!
Andeutungsweise möchte ich nun noch sagen, dass man die vier Aussagen des HERRN, also die zwei Doppelselbstbezeugungen, auch wechselweise, kreuzweise betrachten kann: 1a mit 2a und 1b mit 2b und in anderen Verbindungen. Immer wird jegliche Betrachtung dem einen vom Heiligen Geiste gewollten Zwecke dienen: Ihn uns groß zu machen, Ihn, den der Vater gesandt hat, nicht nur uns zum Heile, sondern Ihm, dem Vater, zur Wonne! Ja, Ihn, der bereit war, mit den menschlichen „Türen” - Eingangsmöglichsten der Religionen - und den menschlichen „Hirten” - Führern zum Verderben - sich vergleichen zu lassen, wobei Er in allem der unendlich Überragende ist an Herrlichkeit, Verkommenheit, Liebe, Gnade usw., auch an Treue in den Ihm übertragenen Aufgaben, die Tür und der Hirte zu sein. Wahrlich: „Keinen Hirten hat die Erde so wie Er an Liebe reich, denn Er ist für Seine Herde Hirt und Opferlamm zugleich!” Wahrlich, Er hat's am Kreuz bewiesen: „Ich lasse Mein Leben für die Schafe!” Aber am Auferstehungstage machte Er auch wahr: „auf dass Ich es wiedernehme”, und so ist Er für die Dauer noch heute auch für uns „der Gute Hirte” in so vielen und reichen Beziehungen - wie Er auch allezeit bleibt „die Tür” in nicht minder wichtigen Bedeutungen!
„Die Tür” und „der Gute Hirte” - beides ist Er, unser herrlicher Herr und Heiland, der Sohn Gottes und der wahre Mensch Christus Jesus, beides in einer Person; welche Kostbarkeit ist uns doch in und mit Ihm geschenkt. Wie sollten wir doch vor allem Ihn anschauen und immer wieder „betrachten”. (Vgl. Hebr. 3,1!) Er ist es wahrlich wert! Gepriesen sei unser Gott und Vater, der uns Ihn geschenkt hat, und gelobt sei Er, unser HERR, für Seine unendliche Liebe, Güte und Treue, die wir täglich in Ihm erfahren! Ja, Dank und Anbetung sei Dir, Herr Jesus, in Ewigkeit! Amen.
F. K.