Wir stehen freilich nicht unter Gesetz, aber auch im alten Bund war Mildtätigkeit nicht nur erlaubt, sondern sogar unmittelbar geboten (vgl. 5. Mo 15,7-11; Spr 21,13; Jes 58,7; Sach 7,9.10). Dennoch erforderte ein Gott wohlgefälliges Geben zu allen Zeiten Weisheit und Einsicht. Es steht von Gott geschrieben, dass Er „allen willig gibt“ und doch kann es sein, dass wir „übel bitten“ und so dass von Ihm Erbetene nicht empfangen (Jak 1,5; 4,3).
Obwohl Gott allezeit gibt, kann Er uns doch sehr oft das nicht geben, um was wir bitten. So können und sollen auch wir nicht immer das geben, was man von uns haben möchte. Wir würden durch ein solches Geben vielleicht viel Unheil anrichten. Wir sollen aber in Fällen der Not stets zum Geben bereit sein und, soweit es in unseren Kräften steht, die Not lindern. Den Hungrigen zu speisen, denNackten zu kleiden, dem Armen und Dürftigen aufzuhelfen, sollten wir stets als ein begehrenswertes Vorrecht betrachten.
Was das „Bürge werden“ betrifft, wozu Gläubige ihre Brüder manchmal auffordern, nachdem sie (sehr oft durch eigene Schuld) in eine schwierige Lage geraten sind, so hat das mit dem eben besprochenen „Geben“ gar nichts gemein. Ich gebe von dem, was ich habe, worüber ich im gegenwärtigen Augenblick verfügen kann; beim Bürge werden aber verpflichte ich mich zu etwas, das im gegebenen Augenblick mir vielleicht nicht mehr zur Verfügung steht, sodass ich selbst in die bitterste Gelegenheit geraten kann. Darum warnt uns der weise Prediger, auf Grund reicher Erfahrungen, aufs nachdrücklichste vor solchem Tun. Wenn das Wort auch nicht gerade das Bürge werden verbietet, stellt es uns doch in ernster Weise vor Augen, wie töricht es für schwache, sterbliche Menschen ist, über die Zukunft bestimmen zu wollen. Darin liegt das grundsätzlich Verkehrte der Sache. Wie verhängnisvoll solches Bürge werden unter Umständen werden kann, das haben Einzelne von uns zur Genüge erfahren.