Wie ist Hebräer 9,26 zu erklären?

Wie ist Hebräer 9,26 zu erklären?

Antwort A

Im Hebräerbrief tun wir Blicke in Dinge, die in den vergangenen Zeitaltern unter dem Gesetz verborgen waren. Ein altes Hohepriestertum ist beiseite gesetzt, und Jesus als der große Hohepriester hat Sein Amt angetreten und waltet desselben. Wir sehen Ihn und Seinen Dienst, der uns nun einen freien Zugang zum Vaterherzen Gottes eröffnet. Schon mit dem 4. Kapitel beginnt die Einführung in das Hohepriestertum Jesu; wir dürfen den Wert Seines Opfers schauen, wie es im Gegensatz zu denen des Alten Bundes ein vollgültiges ist. Diese Belehrung zieht sich bis in das 10. Kapitel. Hier in Kapitel 9 sehen wir nun den Ertrag dieses Opfers, den freien Zugang in das Heiligtum und das gereinigte Gewissen und die vollgültige ewige Erlösung. Vorher war der Weg zum Heiligtum versperrt, das Blut von Böcken und Stieren musste immer wieder fließen, ohne dass die Hinzunahenden einen dauernden Frieden erlangen konnten. Wenn wir nun Christus als den großen Hohenpriester im Himmel schauen dürfen (8,1.2), so ist der Zugang frei. So war mit dem Eintritt Jesu in diese Welt ein neues Zeitalter angebrochen; das Zeitalter des Gesetzes hatte aufgehört, und damit hatte das Evangelium eine Abschaffung aller Dinge, die das Gesetz anordnete, gebracht; Priestertum, Opfer und alles, was mit dem Gesetz in Zusammenhang stand, wurde für kraftlos erklärt. Das Zeitalter der Gnade trat in Kraft, die Errettung war nun eine völlige. Der große Versöhnungstag, von dem wir 3. Mose 16 und 3. Mose 23,26-32 lesen, an dem der Hohepriester Sünd- und Brandopfer darbrachte und im Vorbilde die Sünden des Volkes auf den Bock legte, der in die Wüste geführt wurde, um die Schuld abzuwenden, hatte seinen Abschluß gefunden, weil Jesus Hoherpriester und Opfer zugleich wurde und in das Allerheiligste mit Seinem eigenen Blute eingegangen war. Damit hat Er die Sünden aller, die an Ihn glauben, in das Meer der ewigen Gnade geworfen (Hebr. 8,12). Dieses Werk schließt Sühnung und Versöhnung in sich ein und ist ein vollkommenes. So wurden die Ratschlüsse Gottes mit der Sendung und Hingabe Seines Sohnes erfüllt; durch Sein Opfer und Seinen Hingang auf das Kreuz wurde der Grund gelegt; der Christus, den der Mensch verwarf, wurde durch Sein Opfer das Mittel zur Abschaffung der Sünde, und mit Ihm, den Gott gesandt hat, als die Zeit erfüllet war, kam eine neue Periode: die Offenbarung Christi in der Vollendung der Zeitalter (2. Tim. 1,9.10). So hat Er durch ein Opfer auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiliget werden (Hebr. 10,14). Das angenehme Jahr, Lk. 4,18.19 (vergl. Jes. 61,1-3), war mit dem Kommen des Herrn Jesus angebrochen, und dort in der Synagoge in Nazareth konnte Jesus sagen: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt” (vergl. 2. Kor. 6,2).

So sehen wir Jesum in der Erfüllung der Zeitalter als das Lamm geoffenbart zur Abschaffung der Sünden und als Hoherpriester, der uns den Zugang zum Allerheiligen geöffnet hat, und wir dürfen in diesem Zeitalter der Gnade warten, bis Er, der einmal geopfert wurde, um vieler Sünden zu tragen, zum zweitenmal denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde (d. h. ohne in Beziehung zur Sünde, die ja abgeschafft ist!) erscheint zur Seligkeit (Hebr. 9,28). Dann wird dieses Zeitalter endgültig vollendet sein, eine neue Zeit wird anbrechen, wo wir bei dem HERRN sein werden allezeit. Alles aber auf der einen Grundlage, dass Er einmal in der Vollendung der Zeitalter zur Abschaffung der Sünde geoffenbart wurde.
Ph. W.

Anmerkung des Schriftleiters F. K.

Abschaffung der Sünde” - welch ein wunderbarer Gegenstand, welche Herrlichkeit schließt er ein, welche Gnade in Ewigkeit, welch Grund ewiger Freude! Abschaffung der Sünde durch das Opfer des Einen, der nicht nur beladen ward mit der Sünde der Welt, sondern der von dem heiligen, gerechten Gott zur Sünde gemacht wurde, am Fluchholz gerichtet wurde von dem Gott, der zu heilig ist, als dass Er die Sünde sehen und ertragen könnte. Aber hat Er sie nicht durch ganze Jahrtausende hindurch ertragen? Ja, aus Langmut und Erzieherweisheit - aber einmal sind die Zeitalter vollendet worden, da Gott die Sünde nicht mehr sehen konnte, einmal war das Maß voll einer sich empörenden Menschheit, die durch und durch sündig war, einmal musste sie das Gericht treffen, und wenn nicht sie - dann einen anderen für sie: Christus Jesus von Gott zur Sünde gemacht, auf dass wir - die an Ihn glauben - Gottes Gerechtigkeit würden (darstellten) in Ihm! (2. Kor. 5,21.) An Seinem Leibe wurde die Sünde auf dem Holz gerichtet, als Gott, der Heilige, Sein Angesicht vor Ihm, dem zur Sünde gemachten Sohn des Menschen, verbarg! (Mt. 27,46.) Welch ein Geheimnis, welche Tiefen der Gnade enthüllten sich, nachdem die Tiefen der menschlichen Sünde und Gottferne sich vollendet hatten! Zur Abschaffung der Sünde! Ja, welch ein Opfer! Das freilich konnte und kann nie wiederholt werden, das gilt für ewig, das ist allumfassend und allgültig. Wirklich? Jawohl - jeder, der an Ihn glaubt, ist für ewig von der Sünde befreit, von ihr, die als satanisches Prinzip in der Natur des Menschen, als unübersteigbare Scheidewand, als ewiger Trennungsgrund zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen steht - für ewig ist sie hinweggetan aus Gottes Augen, so dass jedem ein Weg geöffnet ist zu Gott, in das Allerheiligste - aber freilich nur durch den Glauben, d. h. durch die demütige Unterwerfung unter Gottes Urteil und Annahme des einzigen Weges und Heiles. Von Gottes Seite ist alles geschehen, die Sünde ist beseitigt, außer Kraft gesetzt in ihrer Trennungsmacht, - aber - ist von deiner Seite alles geschehen, was geschehen muß? Ist auch die Sünde als die alles beherrschende Macht der Welt hinweggetragen (Joh. 1,29) und gesühnt in Christi Blut, so stehen doch noch da die Dokumente, die Zeugnisse der Gott widerstrebenden Einzelpersönlichkeit des Menschen: seine Sünden! Merke wohl auf den Unterschied, V. 26: „Abschaffung der Sünde”, V. 28: „vieler (nicht aller) Sünden”, d. h. die Sünde der Welt ist gesühnt, die Sünden des einzelnen bleiben auf ihm, bis der einzelne das Opfer Christi für sich selbst als nötig und zugleich ewig gültig anerkennt in Buße und Glauben. Wohl ist „Er die Sühnung für die ganze Welt” (1. Joh. 2,2), d. h. alle können an ihr teilhaben, da von Gottes Seite alles geschehen ist (die Sünde ist ja abgeschafft), aber nicht heißt es: „für die Sünden der ganzen Welt”, womit ein Freibrief zur Rettung für alle Sünder, und zwar ohne Bekehrung, d. h. ohne Buße und Glauben gegeben wäre; nein, jeder muss demütig glaubend Ihn annehmen als einzige Sühnung für die eigenen Sünden, und jeder darf dies auf Grund des einen Opfers für die Sünde der Welt - aber auch nur auf diesem Wege ist Heil für jeden da, für jeden Glaubenden! (Apg. 10,43; 13,38.39.) Aber dann auch ein „volles, ew'ges, ganzes Heil”, ohne dass für den, der es angenommen, noch die Möglichkeit des Verlorengehens eingeschlossen wäre: die Sünde ist ja abgeschafft, der Trennungsgrund ist ja für ewig hinweggetan! Und für die nach der Bekehrung noch eintretenden Sünden des Kindes Gottes ist in 1. Joh. 1,9 wunderbare Vorsorge geschaffen! (Man vergleiche zu dieser Frage noch Bd. II. [1914], Frage 10 und 46; llI, 34 und V, 27 u. a.)

Gepriesen sei unser großer Hoherpriester für die Abschaffung, die Beseitigung der Sünde durch Sein kostbares, ewig gültiges Opfer, das Opfer Seiner Selbst, des Lammes Gottes!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 6 (1918/19)