Wie ist Hebr. 9,23 zu erklären?

Wie ist Hebr. 9,23 zu erklären?

Antwort A

Das ganze Kapitel ist eigentlich eine Erklärung dieses Gegenstandes. In Vers 23 ist angedeutet, dass das alttestamentliche Heiligtum (Stiftshütte und später Tempel) nur ein Vorbild der himmlischen Dinge ist, mit all den Verordnungen, Opfern und Gottesdiensten (vgl. 2. Mose 25,40; Hebr. 8,5). Da der ganze Hebräerbrief die Frage behandelt, ob die von Gott verordneten Einrichtungen für das Volk Israel auch für das neue Verhältnis in Christo Wert und Gültigkeit haben, weil die Judenchristen in Gefahr standen, das Vorbild höher zu achten als das Urbild, so ist dies entschieden zu verneinen.

Diese Verwechselung von Vorbild und Wesen geschieht heute noch, nicht nur von Juden, sondern, was das Traurigste ist, von den Christen, sogar von gläubigen Christen! - Der ganze Hebräerbrief arbeitet diesem törichten Sinn entgegen; möchte das doch noch mehr erkannt werden!

In Vers 23 ist nun speziell die Rede vom Reinigen durch Blut. Gerade in Vers 22 ist es ausgesprochen, dass fast alles, was unser Verhältnis zu Gott betrifft, nach Gottes Gesetz mit Blut gereinigt werden muss (vgl. V. 19-22; 3. Mose 16,15-19; 4,1-19). Gottes Grundsatz ist und bleibt: „Ohne Butvergießen geschieht keine Vergebung.” Wenn manche daher Gott als grausam bezeichnen, weil Er zum Zurechtbringen des Sünders mit Gott Blut verlangt, so sei darauf hingewiesen, dass nicht Gott das Blut nötig hätte, sondern dass die Sünde eine so schlimme Sache ist, das sie nicht anders als mit Blut (d. i. Einsetzung eines Lebens für ein anderes) getilgt werden kann. Die Grausamkeit ist also nicht auf seiten Gottes, sondern auf der Seite des Sünders. Das können wir auch jetzt in diesem Kriege sehen. Will denn Gott alle diese Grausamkeiten? Ist es nicht vielmehr der Ungehorsam gegen Gott, die Sünde, welche diese Grausamkeiten vollbringt? - Gott hätte kein Blut verlangt, wenn unser von der Sünde gestörtes Verhältnis hätte auf anderem Wege zurechtgebracht werden können.

Da steht nun die göttliche Notwendigkeil, das Muß der Reinigung. Aber auch Gottes Liebe und Erbarmen, weil Er nicht den Tod des Sünders will, ist schon in den alttestamentlichen Opfern ausgedrückt. Statt dass der Sünder um seiner Sünde willen sterben muß, setzt Gott das Leben reiner Tiere ein, um wenigstens vorläufig mit einer Zinszahlung zufrieden zu sein, bis das Kapital, die ganze Schuld, durch Einsetzung eines vollgültigen Lebens abgetragen werden kann. Davon reden folgende Stellen: Hebr. 7,7.18.19; 8,1-13; 9,11-14; 10,1-4 vgl. Röm. 3,25.26; Dan. 9,24; Hebr. 9,23-28 und besonders 9,11-15.

Das bessere Opfer, das die Himmel, d. h. Gott im Himmel, als Reinigung von der Sünde bedürfen, ist das Opfer Jesu Christi, des eingeborenen Sohnes Gottes (vgl. Micha 6,6.7; Ps. 49,8.9; Mt. 16,26; Hebr. 9,13.14; 1. Joh. 1,7; Off. 1,5; 7,14. Wem dieses nicht genügt oder auch wer dieses verwirft, der hat kein anderes Opfer mehr für die Sünde, Hebr. 10,26-31; 2,3.4; Apg. 4,11.12. Dieses bessere Opfer reicht vollkommen hin für alle Zeiten und Ewigkeiten, ein für allemal. Hebr. 9,26-28; 7,23-28; 10,12-14.

Wer also seine Zurechtbringung mit Gott in äußerlichem Gottesdienst, in Werken und Zeremonien sucht anstatt in Jesu Christo Selbst, der setzt das bessere Opfer beiseite und bleibt am Schatten hängen. Das Wesen erlangt er nicht und ein anderes Opfer gibt es nicht. Das Abweisen des einen vollgültigen Opfers Jesu hat nur Verdammnis zur Folge. Mk. 16,16; Joh. 3,18.36.
F. Th. H.

Antwort B

Hier ist die Rede von der Reinigung durchs Blut. Die „Abbilder der Dinge in den Himmeln” sind die Hütte des Zeugnisses, das Zelt der Zusammenkunft und alle Geräte des jüdischen Gottesdienstes. Moses hatte nach Hebr. 8,5 Weisung, alles nach dem Muster zu machen, das ihm auf dem Berge gezeigt war. Die Hütte und alles gottesdienstliche Gerät ist deshalb Abbild, Schatten von himmlischen Dingen. Nun wurden nach Hebr. 9, 21.22 die Hütte und alle Gefäße des Gottesdienstes mit Blut besprengt. Eine Reinigung ohne Blut und Vergebung ohne Blutvergießen gab es nicht im Alten Bunde. Schon das erste Opfer auf Erden deutete dies an. Kaum war Gottes Gebot von Menschen übertreten und der Sünde Fluch auf ihn gelegt, da zeigt sich die unfaßbare Gnade Gottes in dem Schlachten von Tieren, deren Felle den Menschen dann bekleiden (1. Mose 3,21) müssen. Wieviel Blut ist für die Abbilder und Schatten der himmlischen Dinge geflossen! Und doch konnte dieses Blut nicht wirklich reinigen, das Blutvergießen keine wirkliche Vergebung zustande bringen. Auch hierbei handelt es sich nur um den Hinweis auf das Blut, das auf Golgatha vergossen ist, um das Blut des Sohnes Gottes. Wenn nun die Abbilder der Dinge in den Himmeln durch Blut von Tieren gereinigt werden, so ist es klar, dass die himmlischen Dinge selbst bessere Schlachtopfer nötig haben. Das bessere Schlachtopfer ist einmal hingegeben worden in Jesus, dem Sohne Gottes. In welcher Weise die Dinge der Himmel selbst der Reinigung bedurften und tatsächlich gereinigt sind, das können wir nur brockenweise ahnen und andeuten. Auch die Himmel sind nicht rein vor Gott nach Hiob 15,15. Der in der Schrift mehrfach erwähnte Sündenfall in der Engelwelt hat ganz gewiß gewaltige Spuren in den Himmeln hinterlassen, wie ja doch auch die Sünde des Menschen nicht ohne Wirkung geblieben ist auf die Erdenschöpfung, die Gott ihm gegeben hatte. Das Blut des Christus, das am Kreuze vergossen ist, hat nicht nur Einfluß auf die Dinge auf Erden, sondern auch auf die Dinge der Himmel nach Kol. 1,20. Das Schlachtopfer, das Gott Selbst am Kreuze gab, ist ein überwiegend besseres Opfer, als all die vielen Opfer, die den Abbildern der himmlischen Dinge dienten. Hochgelobt sei Gott für die Dahingabe Seines Sohnes am Kreuze, durch welche wir jetzt angenehm gemacht sind vor Ihm. Ephes. 1,6-7.
A. C.
(im Felde.)


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 5 (1917)