Wie ist Galater 6,17 zu verstehen?

Wie ist Gal 6,17 zu verstehen: „Im übrigen mache mir niemand weitere Mühe; denn ich trage die Malzeichen Jesu an meinem Leibe“?

Antwort A

Der Apostel verweist in dieser Stelle auf seinen Dienst. Er war in Tat und Wahrheit ein Knecht Jesu Christi. Da waren solche, die nicht aufhörten, ihn anzutasten und seinen Dienst und seine Lehre zu untergraben. Solchen falschen Lehrern hatten die wankelmütigen Galater nur allzu leicht ihr Ohr geliehen. Der Apostel weist hin auf seine Wunden, die er auf dem Wege seines treuen Dienstes empfangen hatte. Das waren Brandmale, die er um Jesu willen empfangen hatte: Beweise seiner Knechtestreue. Es ist eine Anwendung der Sitte jener Tage: Die Sklaven empfingen ein Brandmal, welches anzeigte, welchem Herrn sie gehörten. Darum sollte man ihm nicht mehr Mühe machen; er trug an seinem Leibe die Malzeichen Dessen, dessen er war und dem er diente (Apg. 27,23).
Aus „Simp. Test.”, übersetzt von v. d. K.

Antwort B

Wieviel Mühe bereiteten die Gläubigen dem Apostel Paulus durch das Achten auf falsche Lehrer! Auch die Galater hatten solchen ihr Ohr geöffnet. Diese wollten sie zwingen, sich beschneiden zu lassen und das Zeichen Israels zu tragen. Er aber trug die Malzeichen des Herrn Jesu an seinem Leibe. (Der ganze Brief handelt von dem Umwenden zum Gesetz und zur Beschneidung.)

Mit der Beschneidung hörte die Verfolgung auf (Gal. 5,11 und 6,12), aber auch Christus und Sein Werk war dann für sie nutzlos (Gal. 5,2). Für ihn sollte Christus nicht umsonst gestorben sein (Gal. 2,21). Er stand in Treue zu dem Kreuze Christi (6,14), in welchem der alte Mensch sein Ende gefunden hatte (Röm. 6,6). Die Welt drückte da dem Wahrhaftigen und Gerechten (Jesus) einst das Malzeichen ihres Hasses auf, und auch er, Paulus, trug das Malzeichen desselben Hasses an seinem Leibe. Nicht auf das Malzeichen der Beschneidung (welches die Verfolgung beendet), sondern auf das Malzeichen der Verfolgung durch die „nach dem Fleisch Geborenen” (Gal. 4,29) lenkt er ihren Blick. Dieses, und nicht die Beschneidung, war das Malzeichen des Herrn Jesu.

Warum machten sie ihm so viele Mühe? Als er ihnen einst das Evangelium verkündete, da waren sie seine Freunde; nun er ihnen aber die Wahrheit sagte, hielten sie ihn als einen Feind (Gal. 4,13-16). Stand er nicht mehr in Treue vor seinem HERRN? Sie sollten ihm keine Mühe mehr machen, denn er trug den Sklavenbrand - das Knechteszeichen - das Malzeichen seines verworfenen, aber jetzt mit Ehre gekrönten Herrn an seinem Leibe.
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Das griechische Wort, das Luther mit „hinfort”, die Elb. Übers. in der Fußnote mit „übrigens”, die Miniaturbibel mit „im übrigen” übersetzt, kann wohl dieses alles heißen, indem man im Griechischen das Wort für „Zeit” ergänzt oder es ohne nähere Bestimmung läßt. Aber man kann auch ein anderes Wort (im Griechischen) ergänzen und übersetzen: „Um das übrige (Israel) mache mir niemand weiter Mühe.” Vorher ist „der Israel Gottes” genannt, wie wir glauben, im Gegensatz zu dem verworfenen Israel, das nur die äußere Beschneidung hatte, während Gott „die Beschneidung der Herzen” forderte. Dem Paulus war durch die Irrlehrer genügend Mühe gemacht um das ungläubige Israel, das nicht mehr Gottes war. Um dieses wollte er keine weiteren Beschwerden haben, wenn er sich auch sonst nicht vor Beschwerden fürchtete. Aber gerade die Brandmale Jesu hatte er zumeist von dem Christo feindlichen Israel erlitten und damit bewiesen, dass er sich nicht vor Menschen fürchtete. Er diente nicht Menschen, sondern Christus war sein HERR. Und auch mit diesem Briefe hatte er bewiesen, dass er nicht in Menschenknechtschaft diente, sonst hätte er den die Beschneidung befürwortenden Lehrern und ihren Anhängern wohl nachgegeben, sondern Christo allein diente er. Aber nun solle man ihn mit dieser Art von Beschwerden um das übrige Israel (das nicht Gottes ist) verschonen. Gewissermaßen: Ich trage schon genügend Brandmale Jesu - durch Israel hervorgerufen - an meinem Leibe, als dass ich um dieses (ungläubig bleibenden) Israels willen noch mehr Beschwerden tragen möchte.

Aber es ist nicht nötig, jenes erste Wort des Satzes so zu übersetzen und zu deuten; man kann auch sagen: „im übrigen” oder „hinfort”.
Bemerkenswert scheint uns noch dies, dass dies Wort in dem inspirierten Wort Gottes steht. Das Wort bleibt stets nüchtern. Paulus war auch nur ein Mensch, ein Mensch, der unter den Angriffen der „Feinde des Kreuzes” litt. Und wir sind gewiß nicht so „übergeistlich”, so erhaben über alles, dass wir nicht mehr leiden können unter diesem und jenem, vorzüglich unter den Angriffen derer, die dem Evangelium nicht gehorchen.

Möchten wir aber auch ebenso bereit sein wie Paulus, um Jesu willen zu leiden und den HERRN Sein Eigentumsrecht, Sein Brandmal, Leidensmal auf uns prägen lassen im Kampf um die Wahrheit und in der Liebe zu Ihm! (Vergl. Joh. 16,29ff.)


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 2 (1914)