Wie ist das mit der Gemeindezucht?

Seit längerer Zeit drängt sich mir eine Frage auf, die mich sehr beschäftigt. In unserer Gemeinde leben mehrere Paare in wilder Ehe zusammen. Einzelne Frauen haben sogar alle paar Wochen andere Männer. Es wurde mit den betroffenen Personen gesprochen. Doch sie verzichten lieber auf eine Mitarbeit, als ihr Privatleben in Ordnung zu bringen, und können nach eigenen Aussagen ihre Lebensweise vor Gott verantworten. Bei zwei anderen ist die Scheidung vor Gericht im Gange, doch gleichzeitig haben beide schon wieder eine neue Beziehung. Unser Pfarrer ist der Meinung, dass Gemeindezucht nicht der richtige Weg sei, da die Leute sonst der Gemeinde verloren gingen. Was meinen Sie dazu?

Ihre Schilderungen haben mich zutiefst erschüttert! Denn das, was Sie beschreiben, erinnert sehr an die Situation des Volkes Israel zur Zeit der Richter: «Jeder tat, was ihn recht dünkte» (Ri 21,25). Die Folgen waren dementsprechend: Israel konnte nicht mehr vor seinen Feinden bestehen, es hatte keinen Sieg mehr. Es kam so weit, dass Israel unter die Herrschaft des Feindes kam und tributpfl ichtig wurde. Nun waren die Juden kein Zeugnis mehr gegenüber den umliegenden Völkern. Sie verloren ihren Auftrag und schlitterten zwangsläufi g in eine Sinnkrise. Leider sehen wir diese Entwicklung auch in unserer heutigen Christenheit. In wie vielen Gemeinden ist die Verkündigung und Umsetzung des Wortes Gottes schon «Mangelware»? Aus diesem Grund führen heute viele Christen im Alltag kein Siegesleben mehr. Als Folge der Niederlagen strecken sie je länger je mehr die Waffen und resignieren: «Es hat doch alles keinen Sinn!» Die Auswirkungen auf Ehe, Familie und Glaubenszeugnis sind verheerend.

Um diesem erschreckenden Trend entgegenzuwirken, versuchen wir in unserer Gemeinde folgende Punkte umzusetzen:

1. Wir predigen das ganze Wort Gottes, ohne Abstriche, beginnend bei 1. Mose bis Offenbarung 22. Wir sehen die Heilige Schrift als im Urtext wörtlich inspiriertes Wort Gottes. Es ist ewig gültig, unveränderlich, ein absoluter Maßstab und für unser ganzes Leben verbindlich. Diesem Wort Gottes müssen wir uns anpassen, und nicht etwa umgekehrt! Wir wollen es mit brennendem Geist, vollumfänglich, mit heiligem Ernst und in herzlicher Liebe predigen. Denn Gott sagt in Seinem Wort: «Predige das Wort, stehe bereit zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre» (2.Tim 4,2)!

2. Wir versuchen, eine aktive Gemeinschaft zu leben. Dazu haben wir Gebetsstunden, verschiedene Chöre, eine große Jugendarbeit und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, wie zum Beispiel einen eigenen kleinen Sportplatz. Wir führen Gemeindetage durch. Denn Christsein muss auch in unserem Leben sichtbar werden. Als begnadigte Sünder sind wir erlöst und sollten eine herzliche Gemeinschaft untereinander praktizieren. «Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt» (Joh 13,35).

3. Wir beten – gemeinsam und einsam. Ohne Gebet geht es nicht! Ja, wir erachten die Gebetsstunde als den wichtigsten Anlass unserer Gemeinde und Missionsarbeit, als den eigentlichen Motor unseres Glaubensschiffes! «Er sagte ihnen aber … dass sie allezeit beten und nicht ermatten sollten» (Lk 18,1).

4. Gemeinsam brechen wir auch einmal im Monat das Brot. Beim Abendmahl besinnen wir uns auf unsere gemeinsame Mitte – das Geschehen am Kreuz von Golgatha –, auf das, was Jesus Christus dort für uns getan hat! Jesus Christus hat für unsere Sünden bezahlt. Er hat uns erlöst. Er hat Sein teures Blut für uns gegeben und uns alle Schuld vergeben. Er hat uns eine gemeinsame Hoffnung und Frieden mit Gott geschenkt. Dies tat Er unabhängig von unserer Vergangenheit, unserem Alter oder Geschlecht. Sind wir nun arm oder reich, gebildet oder nicht, in guter sozialer Stellung oder arbeitslos, so sind wir doch eins in Jesus Christus. Er ist das Zentrum. Ihm allein gebührt die Ehre!

5. Schließlich praktizieren wir auch – und damit kommen wir zu Ihrer Anfrage – aktive Gemeindezucht. Dies geschieht in Fällen, wie den von Ihnen beschrieben, jedoch mit dem einen Ziel, die fehlbaren Menschen wieder für Jesus zu gewinnen. Gemeindezucht ist nicht dazu da, mit dem Finger auf Fehlbare zu zeigen, sondern um zu helfen und zurechtzubringen. Dabei ist die Vorgehensweise so, dass die Ältesten der Gemeinde zunächst die betreffenden Personen ansprechen und das persönliche Gespräch suchen. Ist diese Person dann bereit, ihren Fehler einzusehen, diesen vor Gott zu bekennen, abzulegen und den Lebensstil mit Gottes Hilfe zu ändern, dürfen wir gemeinsam den Weg mit Jesus weitergehen. Ist die betreffende Person jedoch nicht dazu bereit, dann kann es als letzte Möglichkeit, nachdem alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, so weit kommen, dass diese Person die Gemeinde nicht mehr besuchen darf. Diese Punkte versuchen wir in aller menschlichen Schwachheit in unserer Gemeinde umzusetzen. Dabei ist zu beobachten, dass unsere Gemeinde deswegen nicht kleiner geworden, sondern sogar gewachsen ist. Ja, es hat sich bestätigt, was Jesus Christus gesagt hat: «Ich (will) meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen» (Mt 16,18). Gott baut Seine Gemeinde. Unsere Mitarbeit ist dabei gefragt, jedoch in den Regeln und Richtlinien, die Er uns vorgegeben hat. Anders können wir Seinen Segen nicht erwarten!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, auch für Ihre Gemeinde, den Mut, nach Gottes Wort zu handeln. Gottes Segen wird nicht ausbleiben!


Beantwortet von: Samuel Rindlisbacher
Quelle: Zeitschrift Mitternachtsruf, Juni 2009, Seite 28