Antwort A
Der Herr Jesus Christus ist sowohl der Sohn Gottes (Mt. 8,29; 14,33; 16,16; 27,54 usw.) als auch der Sohn des Menschen (Mt. 10,23; 16,28; 17,9.12.22; 18,11 usw.). Als „der wahrhaftige Gott und das ewige Leben” (1. Joh. 5,20) hat Er „Leben in Sich Selbst” (Joh. 5,26), „Gewalt, Sein Leben zu lassen und es wieder zu nehmen” (Joh. 10,18), und Macht, geistlich und leiblich Toten Leben zu geben (Joh. 5,21.25). Andererseits ist Er als „Mensch” der „Mittler zwischen Gott und Menschen” (1. Tim. 2,5), indem Er „Sich Selbst gab zum Lösegeld für alle” (V. 6), nachdem Er „Gesetz und Propheten in ganzer Fülle dargestellt” hatte (Mt. 5,17); als solchem ist Ihm auch „Gewalt gegeben, Gericht zu halten” (Joh. 5,23.27), ja „alle Gewalt im Himmel und auf Erden” (Mt. 28,18).
In Mt. 1,20b: „Denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geiste”, weist uns auf die göttliche Seite des HERRN hin (vergl. Lk. 1, 35!), während, wie bei vielen anderen alttestamentlichen Stellen, auch in 5. Mose 18,15 die menschliche Seite dargestellt ist. Nur die Beachtung dieser Verbindung des wahrhaft Göttlichen mit dem wahrhaft Menschlichen kann uns den Lebensgang des HERRN auf Erden recht verständlich machen und anscheinende Widersprüche beheben.
K. Hch.
Antwort B
5. Mose 18,15 ist zum Volke Israel im Auftrage Gottes gesprochen, als es im Begriff war, nach langer Wüstenwanderung in Kanaan einzuziehen. Mose war von Gott vorgesehen, erwählt, berufen, um Israel aus der Knechtschaft Ägyptens herauszuführen und in das Land der Verheißung zu bringen. Gott war mit Mose in Erweisung großer Kraft und Wundermacht, und die Schrift bezeugt von ihm Hebr. 3,5, dass „er treu war in seinem ganzen Hause”.
Mt. 1,20 wird die geheimnisvolle Geburt des Herrn Jesu mit wenigen Worten berichtet. Der Verheißung nach stammte Er aus dem königlichen Geschlecht Davids, zu dem auch Joseph, der Mann der Maria, und vor allem diese selbst (Lk. 2,4 und 1,32) als letzte Glieder gehörten. Aber von Gott war Er vor Grundlegung der Welt erwählt und bestimmt zum König Israels, Seines auserwählten Volkes, zum Retter und Anführer unserer Seligkeit, zum Heiland der Welt für alle Nationen der Erde (Jes. 42,1-17), zum Erretter aus der Obrigkeit und Gewalt Satans, der alle, die an Ihn glauben, heimführen will ins Vaterhaus droben (Apg. 2,21-28 und 3,12-26).
F. B.
Anmerkung des Herausgebers
Es gibt in den Heiligen, von Gott wörtlich eingegebenen Schriften (2. Tim. 3,16) keine wirklichen Widersprüche. Wenn für den menschlichen Verstand auch manche vorhanden sein mögen, so weiß der Glaube doch, dass alles, was von Gott ist, „sehr gut” und vollkommen in sich selbst ist (vgl. Jak. 1,17 u. a.!). Wie könnte auch, da Christus das (fleischgewordene) Wort ist (Joh. 1,14), das geschriebene Wort unvollkommen sein! Mancher scheinbare Widerspruch löst sich bei näherem Zusehen durch treues Beachten des Zusammenhanges (vgl. „G. H.” 1915 Nr. 5, S. 85!).
Bei den vorliegenden Stellen kann man aber kaum auch nur von einem scheinbaren Widerspruch reden, betreffen doch diese Stellen die beiden in der Schrift völlig unterschiedenen Seiten der Person des Herrn Jesu, der einerseits als Mensch wie Mose aus den „Brüdern”, aus Israels Mitte kam (weswegen Er z. B. auch Mt. 25,31-40 von „Seinen Brüdern” spricht: den Juden!), andererseits „Gott, gepriesen in Ewigkeit” war und ist (Röm. 9,5 u. a.). Diese beiden Seiten sind z. B. deutlich nebeneinandergestellt in Röm. 1,2-4. Und obwohl diese beiden Seiten klar zu unterscheiden sind, wie durch eine Fülle von Stellen zu erweisen ist, so ist es doch eine Person, von der dies alles gilt: es ist immerder Sohn, es ist „Gott, geoffenbart im Fleisch” (1. Tim. 3,16). Weil es der Sohn ist, deswegen lag in jener prophetischen Ankündigung des Mose (5. Mose 18,15) ein solch besonderer unermeßlicher Wert, wie auch Vers 18 und 19 bezeugen.
Davon redet auch die Gegenüberstellung in Hebr. 1,1-3: die Propheten - der Sohn, d. h. in den Propheten redete Gott ehemals, in dem Sohn redete Gott endgültig, Er ist der Prophet, auf den hin alle anderen Propheten redeten, um uns Gottes Wesen und Seinen Willen prophetisch kundzutun (was ja im wesentlichen der Kern ihrer Tätigkeit ist), den der Sohn zu erfüllen kam (Hebr. 10,7) und den Er zugleich in und mit Sich Selbst verkündete (vergl. Lk. 4,14-30!). Johannes der Täufer, von dem zwar Lk. 1,76ff. gesagt ist, lehnt die Bezeichnung „de r Prophet” ab (Joh. 1,21), und die Juden, welche die prophetischen Worte des Mose im 5. Buch Kap. 18,15 kannten und zugleich Kap. 34,10 und von der Ablehnung des Johannes, als „der Prophet” zu gelten, wußten, bezogen Moses Verheißung des Propheten anscheinend und mit Recht auf den Herrn Jesus (vgl. u. a. Joh. 6,14; s. auch u. a. Lk. 7,16 und 24,19!), nachdem sie Seine Taten sahen und Seine von Kraft getragenen Worte hörten. Später nach Pfingsten berief sich Petrus klar auf die Weissagung des Mose im Blick auf Christus als den Propheten (Apg. 3; vergl. Stephanus' Rede Apg. 7!). Es ist ein und dieselbe Person: Jesus Christus, der vom Heiligen Geist gezeugte Sohn Gottes, der Messias, der König Seines Volkes Israel, der große Hohepriester und der Prophet. Wie könnte Er diese menschlichen Seiten, gewissermaßen Seine amtliche Tätigkeit, in Vollkommenheit ausüben, wenn Er nicht zugleich der Vollkommene wäre, der Sohn, ja, „der Sohn über Sein Haus” (Hebr. 3,1-6)! Lies hierzu noch Hebr. 7,26-28!