Antwort
Genannte Stellen behandeln je einen verschiedenen Gegenstand. Im Römerbrief erkennt der Mensch in dem Gemachten nicht den Schöpfer an, und im 1. Korintherbrief nimmt er nicht an, was des Geistes Gottes ist, d. h. Christus die Fülle Gottes; denn seine Natur hindert ihn daran.
Die Grundgedanken Gottes in den beiden Briefen kommen uns, kurz genannt, sicher zu Hilfe im Verständnis der Frage, stehen doch beide Stellen am Anfange jedes Briefes. Röm. 1,17: „Gottes Gerechtigkeit ist geoffenbart auf dem Grundsatz des Glaubens.” Die Gerechtigkeit kann jedoch nicht wirksam sein, wenn keine Sünde, kein Böses da ist. Gott tritt darum in Kap. 1,18 - 3,20 Seine Beweisführung gegen die Welt an. Die ganze Welt ist schuldig (Kap. 3,19). Dieses Schuldigsein beginnt aber nicht erst mit der Abweisung des Christus, sondern in der Verleugnung des Schöpfers. Sind Seine Werke nicht Zeuge genug? Der Psalmist und Hiob mögen reden! Ps. 8,3-4: „Wenn ich anschaue Deinen Himmel - Deiner Finger Werk - den Mond und die Sterne.” Ps. 92,5-6: „Wie groß sind Deine Werke, Jehova, sehr tief sind deine Gedanken. Ein unvernünftiger Mensch erkennt es nicht, und ein Tor versteht solches nicht.” Ps. 139,14: „Ich preise Dich darüber, dass ich auf erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind Deine Werke, und meine Seele weiß es sehr wohl.” Hiob 12,7-10: „Wer erkannte nicht an diesem allen (V. 7-9), dass die Hand Jehovas solches gemacht hätte?” Zu dem Verständnis dieses bedarf es nicht des Geistes Gottes, sondern die dem Geschöpf gegebene Gabe des Verstandes genügt, um in dem „Erkennbaren” Gott zu schauen, das Unsichtbare von Ihm, Seine ewige Kraft und Seine Göttlichkeit. Gottes Wirken bleibt es trotzdem, wenn Menschen von Seinem Schöpfertum überzeugt werden. Die Römerstelle erwähnt nichts vom „Geiste Gottes”, sondern begnügt sich mit dem Ausdruck „des geoffenbarten Erkennbaren”. Der Mensch wird hier betrachtet in seinem natürlichen Zustande betreffs Stellungnahme dem Schöpfergott gegenüber. Der natürliche Mensch ist u. a. unter dem „Zorne Gottes” (Eph. 2,3), er ist ein „Feind Gottes” (Röm. 5,10) und vermag nicht, dem „Gesetz Gottes” untertan zu sein. (Röm. 8,7)
Das höchste Gerechtigkeitsgefühl besaßen in der damaligen Welt die Römer, aber sie mußten durch die Erkenntnis der göttlichen Gerechtigkeit die Befleckung der eigenen erkennen. Ähnlich dem Grundsatz nach war es bei den Korinthern. Sie waren Bürger eines Volkes, dessen Ruf von hoher Weisheit bereitet war (1. Kor. 1,22). Auch hier ist eine Beurteilung der Menschen durch den Geist Gottes vorgestellt. „Wer sich daher rühmt, der rühme sich des HERRN!” (Kap. 1,30). Die menschliche Weisheit geht so weit, wie sie eben die irdischen Dinge zu erfassen vermag, und kann als solche (als Weisheit) gelten. Maßt sie sich aber an, Gottes Handeln in und durch Seinen Christus zu beurteilen, so ist sie schon dadurch zur Torheit gestempelt (Kap. 1,20). Als Beispiel wird nun Kap. 2,11 angeführt. Wie nur der Geist des Menschen weiß, was in ihm ist, so weiß auch nur der Geist Gottes, was in Gott ist. Nur Ihm allein ist es möglich, Gott zu erkennen (V. 10). Durch den Geist unterscheiden wir uns von der Welt (V. 12), und durch denselben allein sind wir befähigt, das von Ihm Geschenkte zu erkennen. Ebenso bedarf es geistlicher Mittel in Ausübung eines Heiligungslebens wie auch in Fragen des Gemeindelebens. Der natürliche Mensch ist vollkommen ausgeschaltet, da er anderer Natur ist und einem anderen Herrn angehört. Natürlicher Mensch und Geist Gottes schließen sich von selbst aus wie Tag und Nacht. Also kann der natürliche Mensch nicht erkennen, was des „Geistes” Gottes ist, d. i. was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat „denen”, die Ihn lieben, im Gegensatz zum Römerbrief, wo die Schöpferweisheit „allen” Menschen geoffenbart ist. Darin liegt der Unterschied. Wohl kommt in beiden Stellen der „natürliche” Mensch in Frage, nur ist er in 1. Kor. 2 „natürlich” genannt im Gegensatz zu dem, was göttlicher Natur ist. Erst muss das zunichte werden, „was ist” (Kap. 1,29), nämlich das „Natürliche”, ehe das erkannt wird, was des „Geistes Gottes” ist.
W. Wst.
Anmerkung des Schriftleiters
Diese klare Antwort macht ein weiteres genaues Eingehen auf die Frage selbst unnötig. Nur einige kleine Bemerkungen dazu!
Wie wichtig ist die gemachte Feststellung, dass es sich bei beiden Stellen um den „natürlichen” Menschen handelt! Das ist die menschliche Seite. Aber die göttliche ist, dass Gott das eine „erkennbar” nennt (Röm. 1,19), während das andere (1. Kor. 2,14) das Gebiet des Geistes ist, das dem „natürlichen” Menschen verschlossen ist. Das erstere ist in dem „Gemachten geoffenbart” - folglich dem natürlichen Menschen erreichbar (wenn auch erst durch Gottes Walten) -, das letztere ist „unfaßlich”, „eine Torheit ”, unerkennbar für den natürlichen Menschen - warum? „weil es geistlich unterschieden werden muß” (V. 15).
Wir sehen, wie das erstere, das „Erkennbare”, den großen Philosophen und Dichtern des Altertums z. T. als göttlich gemacht bekannt war, so besonders dem Plato u. a. - Männern, die in ihrem Herzen, ihren Werken und in ihrer Lehre Gott nicht fern waren (vgl. übrigens Pauli Beweisführung auf dem Areopag, Apg. 17,23-31.28!). - Andererseits können wir uns immer wieder überzeugen davon, dass die größten Geister, sogar der Christenheit, wie z. B. Goethe und auch Schiller und leider viele andere, mehr an den für wahre gläubige Christen vermöge des in ihnen wohnenden Geistes Gottes klar verständlichen Dingen des Evangeliums oder des Sohnes Gottes und der Ewigkeit usw. ohne auch nur einen Strahl wirklichen Erkennens vorübergehen, ja oftmals als Verächter und Hasser von Kostbarkeiten, die sie nicht begreifen!
Diese einfachen Tatsachen zeigen klar, wie die beiden erfragten Stellen nicht nur nicht Widersprüche enthalten, sondern wie sie sich geradezu ergänzen. Der Unglaube aber vermag weder die eine noch die andere Stelle zu entkräften. Wer die nur durch den Geist zu erforschenden und zu erkennenden Dinge (1. Kor. 2) nicht begreift, ist - wenn er auch „das geoffenbarte Erkennbare” (Römer 1) nicht erkennen will (sondern etwa sagt, es sei alles von selber geworden!!) - völlig ohne Entschuldigung; der Unglaube in dieser Hinsicht zuerst ist nach Gottes Wort unentschuldbar! Wer aber aufrichtig sich belehren lässt durch das „Erkennbare” über Gott und Sein Dasein und Wirken, dem wird Er sicher auch mehr Licht schenken vom Kreuze her (1. Kor. 1), so dass über die Station von Röm. 1,19.20 ein Mensch, dem bisher keine weitere Offenbarung zuteil geworden ist, seinen Weg finden kann zu dem Gott, „der Sich schauen läßt” (1. Mose 16,13) von denen, die Ihn ernstlich suchen!
Jedoch der Zusammenhang der Römerstelle zeigt, dass die „Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen” (V. 18), wie sie im allgemeinen sind, diesen Weg zu Seinem Erkennen nicht geht und dass darum Sein Zorn über sie geoffenbart wird. - Welch ein weiter Weg ist aber von solchen, die, obwohl sie Ihn an dem „Erkennbaren” erkennen könnten, Ihn nicht kennen lernen wollen, bis zu denen, die durch Seinen Geist immer tiefer in Seine herrlichen Geheimnisse einzudringen wünschen und vermögen! Wahrlich, ein unendliches Vorrecht, „die Dinge zu kennen, die uns von Gott geschenkt sind!” (1. Kor. 2,12). Gepriesen sei Sein herrlicher Name!
F. K.