Wer nicht hasst Vater oder Mutter, der ist mein nicht wert

Was bedeutet die Stelle „Wer nicht haßt Vater oder Mutter, der ist mein nicht wert“? Luk. 14,26.

Antwort A

Lk. 14,26: „Wenn jemand zu Mir kommt und haßt nicht seinen Vater und seine Mutter und sein Weib und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht Mein Jünger sein.

Wie dieses „hassen” gemeint ist, zeigt die Parallelstelle (Mt. 10,37): „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht würdig.” Jesus will die natürliche Liebe nicht aufheben (Mt. 15,4), aber sie muss der Liebe zu Jesu untergeordnet sein. Er fordert das ganze Herz. Er will unsre „erste Liebe
sein. Oft stehen die „natürliche Liebe” und die Liebe zu Jesu im Widerstreit, und es bleibt dem Gläubigen nichts anderes übrig, als zu wählen: Entweder Jesus oder Vater, Mutter usw. Wenn nämlich ein Mensch sich bekehrt, so wird er anders als die Welt; er denkt, redet und wandelt anders; damit verurteilt er die Welt, und das nimmt sie übel. Die eignen Hausgenossen werden Feinde des Gläubigen, und daraus folgen für ihn tiefe und bittere Leiden, besonders auch das, dass man ihn als den Urheber der Entfremdung und Zwietracht beschuldigt wie Ahab den Elias. Wer nun in der Absicht, die Feindschaft seiner ungläubigen Verwandten zu vermeiden, Jesum aufgibt und also jene mehr liebt als Jesum, der ist Seiner und Seiner Gnade nicht würdig (vgl. auch Apg. 13,46).
Chr. K.

Anmerkung des Herausgebers

Sollen die Christen ihre Eltern und nächsten Verwandten nicht mehr lieben? Gewiß, vielmehr: Sie sollen sie umso mehr lieben, je mehr sie selbst von Christo geliebt werden! Aber in dieser Stelle handelt es sich um die Nachfolge Jesu (vgl. Vers 25a!). Hier kommt es dem Herrn darauf an, zu zeigen, was für ein ernstes Ding es um die Nachfolge Jesu ist. Er denkt ja nicht an solche Verwandte, die mit dem Ihm Nachfolgenden eines Sinnes sind, sondern an solche, die irgendwie den Nachfolger Jesu durch die engen und so tiefen Bande des Fleisches abziehen wollen von dessen praktischer Liebesbetätigung zu Jesus. Dass der Herr solche Leute meint, zeigt der letzte Ausdruck in Vers 26: „Dazu auch sein eigenes Leben (Seele).” Das natürliche, fleischliche Leben befindet sich beständig im Gegensatz gegen Gott. Dieses Leben muss man einmal gründlich kennen lernen, dann versteht man den scharfen Ausdruck Jesu: „Hassen!” Wer sich selbst kennt, der lernt sich hassen, sobald er dem Herrn nachfolgen und dem Worte Gottes gehorchen will. Dasselbe gegensätzliche Leben aber, das wir von Natur haben, haben auch die Unsern. Da sie nun die wirksamsten Mittel haben zu unserer Lebens-Beeinflussung, so ist es für einen Nachfolger Jesu nötig, sie zu hassen, wie er sich selbst, sein eigenes natürliches Wesen, haßt. Die Liebe zu Christus und zu Seinem Wort verträgt keine fleischliche Kreaturenliebe; und einen Mittelweg gibt es im Christentum nirgends! Andererseits wollen wir nie vergessen, dass Gott uns mit den Unsern zusammentat, damit wir sie lieben mit der Liebe, mit der wir geliebt werden von Ihm, mit der Liebe Gottes, die ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Geist (Röm. 5,5)! So soll denn Liebe und Haß zu gleicher Zeit und gegen dieselben Personen im Herzen des Christen sein? Ja! Und nun: Fragen wir uns alle einmal, ob wir willig sind, wenn es sich um die Nachfolge Jesu handelt, den Weg der Verleugnung aller natürlichen Bande der Pietät zu gehen und darin zu beharren - (wie oft werden wir in der Schrift zum Ausharren ermahnt!). Wenn nicht, so hören wir des Herrn Wort: „Der kann nicht Mein Jünger sein,” oder „der ist Meiner nicht wert!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 1 (1913)