Welches ist der tiefere Sinn von Johannes 14,27?

Welches ist der tiefere Sinn von Johannes 14,27?

Antwort A

Fraglicher Vers enthält zweimal das Wort „Frieden”. Jedoch ist der beiderseitige Sinn ein verschiedener. Wie schon oft betont, muss auch hier die Stellung der Jünger in Betracht gezogen werden. Der HERR sagt von ihnen: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das Ich zu euch geredet habe.” „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein” (Joh. 15,3 und 13,10). Die Annahme Seines Wortes, der erste Hinweis in dem Wort: „Siehe, das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde wegnimmt” (Joh. 1,29), brachte u. a. einige zur anfangenden Erkenntnis ihres Wesens. Ein Ergebnis Seines Wirkens gibt uns Lk. 5,8. Mit: „Gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch” beugt sich Petrus, sich selbst erkennend, vor dem HERRN. Wenn schon der Glaube der Jünger nicht der an das geopferte Lamm war, so genügte ihr Glaube an den Sohn Gottes doch und an das durch Ihn geoffenbarte Wort Gottes, um sie in den Zustand der Reinheit zu setzen. Röm. 5,1 nennt diesen Frieden - den, von dem Er sagt: „Frieden lasse Ich euch” - „Frieden mit Gott”, denn dieser ist es, den der erlöste Mensch zuerst empfängt. Da die Jünger zu dem besonderen Kreis des HERRN gehörten und Seinen Weg wußten, genossen sie den Gewissensfrieden im voraus. Besiegelt wurde er jedoch erst durch das vollbrachte Opfer, und dieses deutet der HERR an mit den Worten: „Frieden lasse Ich euch.

Meinen Frieden gebe Ich euch” ... Um diesen Frieden zu erlangen, muss man sein Wesen kennen und die Mittel, durch die er dargereicht wird. Als Sohn Gottes ist der HERR der Friede in Person. Sein Friede aber lenkt uns auf Seine Lebensumstände hin. Es hat wohl keinen Menschen gegeben, welcher so die Zielscheibe der Angriffe Satans war wie Er. Sein heiliger Leib und Sein göttliches Wesen ließen Ihn die Ihn umgebende Sünde so verspüren, wie sie nur eben Er fühlen konnte. Ihm war sie wesensfremd, uns aber liegt sie in Fleisch und Blut. Hunger, Durst, Hitze, Angst Seiner Seele taten dazu noch das Ihre. Wo ist nun das Geheimnis Seines Friedens zu suchen? Es ist unschwer zu finden. In all diesen Umständen blieb Er Sich gleich. Gehorsam und Abhängigkeit sind die Säulen, auf die sich Sein ganzes Leben stützt. Es ist uns so eigen, zu sagen oder bloß im Geheimen zu denken, dass Sein göttliches Wesen vorherrschend gewesen sei. Bedenken wir, dass wir darin dem Bericht des Wortes entgegen sind und Seinen Ruhm schmälern. Vollkommener Mensch sein heißt, aufs Tiefste die Schwere des Lebens auf einer fluchbeladenen Erde zu empfinden. Als Sohn Gottes brauchte Er doch nicht zu beten noch Angst der Seele zu haben, oder zu bitten, dass man mit Ihm wache. Welcher Trost für unser Herz, einen solchen HERRN zu haben, der uns gerade als Mensch ganz versteht! Einige Zitate im Rahmen des Johannesevangeliums sollen Seinen inneren Menschen zu verschiedenen Zeiten zeigen, „Meine Speise ist es, den Willen Gottes zu tun” (4,34) - „Der Eifer um Dein Haus verzehrt Mich” (2,17) - „Die Ehre dessen suchen, der Ihn gesandt” (7,18) - „Wie der Vater Mich gelehrt, rede Ich” (8,28) - „Ich bewahre Sein Wort” (8,55) u. a. Vergebens suchen wir Sein „Ich”; nur ein Verharren in den Gedanken Seines Vaters wird offenbar. Am Ende Seines Lebens konnte Er sagen: „Ich habe Dich verherrlicht, das Werk habe Ich vollbracht” (Joh. 17,4). Durch obige genannte Dinge blieb Er stets in Harmonie mit dem Vater (dies soll als Ermahnung für uns gelten!), und das bedeutet Frieden, Seinen Frieden oder Frieden des Herzens.

Warum nun sagt der HERR diese besonderen Worte zu Seinen Jüngern? Um sie zu stärken für das Kommende. Bisher war Seine Liebe ihr Schutz, nun aber kamen sie in Kürze auf den Boden der Selbständigkeit im Handeln, und was das bedeutete, wissen wir wohl. Zur gegebenen Zeit sollte sie der Heilige Geist (der „Sachwalter, Tröster”) daran erinnern, zum Trost. Zu beachten ist ferner, dass diese Friedensworte gesprochen wurden, nachdem der Heilige Geist eingeführt ist. Einerseits ist Er der Stellvertreter des von ihnen geschiedenen HERRN und andererseits der Vermittler Seines Friedens.

Nun bleibt uns noch übrig zu erwähnen, inwieweit dieser Friede gegeben wird. Willkürlich? In seiner ganzen Fülle? Ersteres muss verneint werden, und letzteres ist nicht möglich. Der unerlöste Leib, die Wohnung des alten Ichs, bildet wohl das größte Hindernis. Auch hier kann man sagen bezügl. des ersteren: „Jeder Fußbreit Landes, auf den du deine Fußsohle setzest, ist dein.Hebr. 12,14 zeigt dies klar: „Jaget dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit, ohne welche niemand den HERRN schauen wird.” Frieden in Verbindung mit einem Leben ohne Sauerteig! Wert und Dauer des Friedens ist abhängig von der Stärke des Wandelns nach dem neuen Menschen.
Dann noch kurz eine Gegenüberstellung: Der Gewissensfriede ist die Folge der Sündenvergebung. Es ist dies die erste Erfahrung der wiedergeborenen Seele. Man empfängt ihn sofort, und er kann nicht genommen werden (normalerweise). Der Gewissensfrieden ist ein persönliches Verhältnis zwischen mir und Gott. Der Herzensfrieden ist die Begleiterscheinung eines Heiligungslebens. Diese Erfahrung ist wachstümlich und kommt an zweiter Stelle. Im Gegensatz zu ersterem kann dieser verlorengehen, aber ebenso kann er durch ernste Herzensbeugung zurückerworben werden. Schließlich noch eins: dieser Frieden zeigt mehr unseren geistlichen Zustand im Verhältnis zum unruhigen Fleisch!
W. Wst.

Antwort des Schriftleiters

Zu dieser schönen Antwort noch einige ergänzende Worte! Zunächst weise ich auf Frage 12 in Jahrbuch 12 hin: dort „Meine Freude”, hier „Mein Friede”.
Ein Mensch, der die erste Art „Frieden”, den sogenannten Frieden des Gewissens, nicht kennt, und zwar aus eigener Erfahrung, ist kein Christ. Es ist „der Friede mit Gott” (Röm. 5,1.), wie oben gesagt ist, der die notwendige Folge der Rechtfertigung aus Glauben ist, ist doch Christus „um unserer Übertretungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt worden” (Röm. 4,25). Dadurch hat Er, als Er aus dieser Welt herausging, uns den Frieden (da)gelassen, wie Erverheißen hat; denn wer an Ihn glaubt, der wird gerechtfertigt und dadurch dieses Friedens teilhaftig, den der Sohn Gottes am Kreuz gemacht hat „durch das Blut Seines Kreuzes” (Kol. 1,20). Diesen kostbaren Frieden brachte Er am Auferstehungsmorgen den Seinen, als Er sie mit dem „Friede euch!” begrüßte, worauf Er ihnen Seine durchbohrten Hände und Seine Seite zeigte als Beweis für die vollgültige Grundlage dieses Friedens in Seinem Opfer und Seinem Blute (Joh. 20,19.20). Als Er sie aber zum zweitenmal mit dem gleichen „Friede euch!” grüßte, deutete Er damit zweifellos den Frieden an, den Er Selber hinieden genossen hatte (V. 21). In diesem Herzensfrieden hatte Er als vollkommener Mensch den Dienst getan, zu dem Er sie jetzt aussandte und für den Er sie so ausrüstete. Den ersteren Frieden hatte Er besiegelt mit Dahingabe Seines Lebens, den letzteren, „Seinen Frieden”, hatten sie bei Ihm tagtäglich wahrnehmen dürfen in all Seinen Wegen, Diensten und Leiden hienieden, als sie mit Ihm wandeln durften.

Welche Herrlichkeit - diese Verheißung Seines Friedens! Wie oft mochten sie Ihn, der als Mensch in so vollkommener Glaubensabhängigkeit (vergl. Hebr. 12,1-3) wandelte, staunend bewundert haben, wie Er so still gefaßt und ruhig blieb in allen Lebenslagen, so jeder Situation gewachsen, nie aus dem Herzensfrieden zu bringen, stets über den Ereignissen stehend und doch allem sich demütig und sanftmütig mit der gleichen Ruhe und Sicherheit hingebend, so, als wenn Er in jede irdische Unordnung die rechte göttliche Ordnung hatte hineinbringen wollen (vergl. das auch hierhergehörende Wort: „Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens!1. Kor. 14,33; wie wunderbar hat der HERR dies geoffenbart!)! Wie überwältigend sind in dieser Hinsicht Antworten wie jene, da man Ihn fangen wollte mit der Frage, ob es recht sei, dem Kaiser Steuer zu geben (Mt. 22,15-22), oder Szenen wie Lk. 7,36-50; 10,38-42 und Joh. 8,1-11 usw.! - Kostbar ist das!
Wenn wir, die wir auch „durch Glauben wandeln, nicht durch Schauen” (2. Kor. 5,7), doch auch so jeder Sachlage uns gewachsen zeigen würden, ohne den Herzensfrieden einzubüßen und in Aufregung zu geraten, wenn die Dinge einmal unvorhergesehen anders laufen, als wir es für richtig hielten! Wie so leicht „vergessen wir uns” oder „lassen uns gehen”, „brausen auf”, müssen hinterher „etwas zurücknehmen” und „uns entschuldigen” (was nie bei dem HERRN vorkommen konnte!) und verderben durch Unbesonnenheit (vor allem schon in den Worten!) mehr, als je wieder gut zu machen wäre, wenn die Gnade es nicht fertig brächte! Nie kam dergleichen bei Ihm vor. Er wandelte in dem Frieden, den Paulus in Phil. 4,6den Frieden Gottes nennt, der höher ist denn alle Vernunft”, und der „unsere Herzen und Sinne (unsere Gedankenwelt!) bewahren möge in Christo Jesu”! Der Friede ist da für uns!

Wie hat der HERR die Seinen zu trösten gewußt, als Er sie auf Seinen baldigen Weggang vorbereiten mußte! Sie hätten wohl bestürzt werden können, aber Er ermuntert sie mit Seinen treuen Worten: „Euer Herz werde nicht bestürzt, sei auch nicht furchtsam!” Und dieses Wort leitet Er ein durch die Verheißung des Geistempfanges und des doppelten Friedens mit dem Hinweis: „Nicht gebe Ich, wie die Welt gibt.” Wie gibt denn die Welt? In gesetzlicher Weise - mit Drohungen, wiederzunehmen, wenn man nicht so wolle, wie sie wolle - mit der Forderung der Wiedervergeltung, also aus Eigennutz (vergl. Lk. 14,12-14!) - mit dem unverhüllten Wunsche, gelobt zu werden - mit unfreundlichen Blicken und unschönen Worten - mit Herzenskälte - so dass der Empfänger hinterher wünschen möchte, lieber nichts angenommen zu haben - ja, in einer Art von Widerwillen - wie gezwungen gibt sie und mit dem Hintergedanken, es lieber nicht haben geben zu müssen - sie gibt halb (vergl. Lk. 7,44-46, wie's der HERR erfuhr von dem Pharisäer!), sie gibt sich nie ganz als freiwilliges Opfer (wie Er!) - sie gibt ohne Liebe, ohne Glück, ohne Freude - sie kennt nicht die herrliche Tatsache Seines Wortes: „Geben ist seliger als Nehmen!” (Apg. 20,35.) - Sein Geben ist in allem das Gegenteil, selbstlos, freudig und freiwillig opfernd, vollkommen in Liebe, Hingabe und Treue, um des Empfangenden willen, um ihn zu beglücken, um ihn mit Sich zu verbinden, ihm dadurch zu schenken, was er ohne Ihn nie und nimmer bekommen könnte. So gibt Er, so willig und gern, und wirft es nicht hinterher vor (Jak. 1,5), und so gibt Er auch Seinen Frieden, ohne ihn je wieder fortnehmen zu wollen, wenn anders die Empfänger dies hohe Glück nicht leichtfertig verscherzen würden. Denn es ist ein zartes Ding um „Seinen Frieden”, wie wir auch aus Antwort A sehen, und gar leicht ist der Geist betrübt (Eph. 4,30), und dann schmeckt die Seele diesen süßen Frieden nicht eher wieder, bis sie sich beugt nach 1. Joh. 1,9! Aber nie gibt Er, unser geliebter HERR, wie die Welt gibt, nie gibt Er mit der einen Hand, während gleichsam die andere bereit ist, schon wieder wegzunehmen, was kaum das Herz beglückt hat. „Nicht wie die Welt gibt, gebe Ich.” Sein Geben verdient unser vollstes Vertrauen, unsere rückhaltloseste Glaubenshingabe, unseren dankbarsten Gehorsam gegen Sein Wort auf unseren Wegen; Sein Gebenwollen soll uns Mut machen, aller Bestürzung den Abschied zu geben und Ihm allein zu trauen, der nur Gutes zu geben weiß und „nur Gedanken des Friedens” mit uns hat (Jer. 29,11), der nicht nur den Gewissensfrieden für uns zurückließ, sondern uns auch „Seinen Frieden” nicht vorenthält, wenn uns daran liegt, auf unserem Wege durch das uns wie Ihm feindliche Gebiet dieser Welt, in der wir „Drangsal haben” (Joh. 16,33), uns zu beweisen als Sein Eigen, als aus Gott Geborene, die „Darsteller des Wortes des Lebens” nach Phil. 2,16 sein dürfen, in Seiner Kraft, durch Seine Gnade! Er wolle uns vermehrte Gnade schenken, das köstliche Wort vom Frieden, den Er uns läßt, und von Seinem Frieden, den Er uns gibt, täglich besser zu verstehen und zu verwirklichen in steter Abhängigkeit von Ihm, der „die Welt überwunden” hat (Joh. 16,33)! Er sei gepriesen!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 13 (1928)