Bei der Feier des Passahmahls wurden gewöhnlich mehrere Kelche, drei oder meist vier, umher gereicht: bei Beginn des Mahles, während desselben und nach dem Mahl. Im 17. Vers nimmt der Herr einen Kelch, d.h. einen der erstgenannten Kelche, und reicht ihn gleichsam als Gastgeber Seinen Jüngern mit den Worten: „Nehmt diesen und teilt ihn unter euch“; mit anderen Worten: leert ihn, sein Inhalt ist ganz für euch. Dann spricht Er weiter: „Denn ich sage euch, dass ich von jetzt an nicht von dem Gewächs des Weinstocks trinken werde, bis das Reich Gottes kommt.“ Gerade so wie Er vorher im Blick auf das Passahmahl gesagt hat, dass Er „nicht mehr davon essen werde, bis es erfüllt ist im Reich Gottes“ (V. 16).
Das Gewächs des Weinstocks, der Wein, ist in der Schrift ein Bild der Freude, des irdischen Segens. Bis dahin hatte es dem Herrn gefallen, mit Seinen Jüngern an den Segnungen, die mit dem alten Bund verbunden waren, teilzunehmen. Jetzt aber sollte eine ganz neue Ordnung der Dinge aufgerichtet werden, mit der alten war es endgültig vorbei. Die Grundlagen für den neuen Bund, der allerdings dann mit Israel errichtet werden wird, sollten im Tod des Herrn gelegt werden. Alle Verbindungen mit der Erde werden für den Augenblick aufgelöst, bis sie im Reich neu geknüpft werden und dann ein „neues“ Genießen derselben gewährleisten (vgl. Mt 26,29).
Der erste Kelch in unserer Stelle unterscheidet sich also wesentlich von dem „Kelch nach dem Mahl“ (V. 20; 1. Kor 11,25), den der Herr zur Einsetzung des Abendmahls, des Gedächtnisses an Ihn, das wahre Passahlamm, benutzte. Von ihm sagt Er: „Dieser Kelch ist der neue Bund inmeinem Blut, das für euch vergossen wird.“ Er selbst trinkt auch nicht daraus, sondern Er reicht ihn den Seinen mit den Worten: „Trinkt alle daraus“, und: „Dies tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis“ (Mt 26,27; 1. Kor 11,25; vgl. Mk 14,23).
Wenn also bei der Feier des Abendmahls gelegentlich der Danksagung für den Kelch zuweilen gesagt wird: „Der Kelch, den wir unter uns teilen“ (oder auch dasselbe Wort gar auf das „Brot“ angewandt wird), so ist das nicht schriftgemäß; es ist eine Verwechslung mit dem Kelch, derwährend des Passahmahls umher gereicht wurde. Wie könnten wir auch (bildlich gesprochen) den Leib oder das Blut des Herrn „unter uns teilen“? Der Gedanke schon ist, wie ein kurzes Nachdenken ergeben wird, durchaus unrichtig, um nicht mehr zu sagen. Nein, wie essen von dem Brot und trinken aus dem Kelch, um dadurch den Tod des Herrn zu verkündigen und unserer gesegneten Verbindung mit Ihm, dem gekreuzigten Heiland, in Seinem Tod einen sichtbaren Ausdruck zu geben.
Die Evangelisten Matthäus und Markus gehen in ihrem Bericht über die letzte Passahfeier des Herrn mit Seinen Jüngern nicht so genau in Einzelheiten ein. Dort scheint es so, als ob der Herr die Worte: „Ich sage euch, dass ich von jetzt an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken werde“, mit der Einsetzung des Abendmahls verbunden hätte. Aber Lukas zeigt und deutlich, dass das nicht der Fall war.