In 2. Thessalonicher 2,3-4 steht: «Lasst euch von niemand in irgendeiner Weise verführen! Denn es muss unbedingt zuerst der Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens, der sich widersetzt und sich über alles erhebt, was Gott oder Gegenstand der Verehrung heisst, sodass er sich in den Tempel Gottes setzt als ein Gott und sich selbst für Gott ausgibt.»
Mit dem griechischen Wort naos, das der Tempelbezeichnung in 2. Thessalonicher 2,4 zugrunde liegt, können sowohl heidnische Tempel (Apg 19,24) als auch der Jerusalemer Tempel (Mt 23,16) oder der endzeitliche Tempel in Offenbarung 11,1 gemeint sein. Aber auch der Leib Christi und die Gemeinde werden als Tempel (naos) bezeichnet (Joh 2,19-21; Mt 26,61; 1.Kor 3,16). Folgendes ist allerdings auffallend: Immer, wenn mit dem Tempel etwas anderes (Geistliches) als der physische Tempel in Jerusalem gemeint ist, wird dies auch zusätzlich erwähnt. Zum Beispiel in Johannes 2,21: «Er aber sprach von dem Tempel seines Leibes.» Oder in 1. Korinther 3,16: «Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?» (vgl. V 17; 6,19; 2.Kor 6,16; Eph 2,19-22).
Aus diesem Grund kann man davon ausgehen, dass der Apostel in 2. Thessalonicher 2,4 kein geistliches, sondern ein physisches Tempelg ebäude meint, da er keine zusätzliche Erklärung gibt. Doch es gibt noch einen wesentlich stärkeren Grund zur Annahme, dass mit 2. Thessalonicher 2,4 ein Gebäude, und nicht die Gemeinde gemeint ist.
Es ist vom «Menschen der Sünde», dem «Sohn des Verderbens» und dem «Gesetzlosen» – demnach vom Antichristen – die Rede (V 3.8.), der sich widersetzt, sich über alles erhebt, was Gegenstand der Verehrung (Gottesdienst) ist, und sich in den Tempel setzt. Es geht eindeutig um einen Menschen, eine Einzelperson, die dann auch später als Person bei der Wiederkunft Jesu durch den Hauch Seines Mundes verzehrt wird (V 8). Es geht also nicht bloss um ein antichristliches System oder einen antichristlichen Geist, sondern um einen Menschen, der sich als Individuum in den Tempel setzt und den Gottesdienst darin behindert bzw. verhindert. Wäre mit dem Tempel die Gemeinde gemeint, wäre das für eine Einzelperson schlichtweg unmöglich. Denn wie soll sich eine Person in die weltweite Gemeinschaft der Gemeinde Jesu setzen, abgesehen davon, dass in ihr bereits der Heilige Geist wohnt? Wohl aber ist es möglich, dass sich eine Einzelperson in ein Gebäude setzt, und genau das scheint hier der Fall zu sein.