Heute steht das Wort Apokryphen als Synonym für die vierzehn oder fünfzehn Bücher zweifelhafter Authentizität und Autorität.
Diese Schriften finden sich nicht im hebräischen Alten Testament, sind aber in einigen Manuskripten der Septuaginta enthalten, der griechischen Übersetzung des hebräischen Alten Testaments, die um 250 v.Chr. in Alexandria, Ägypten, vollendet wurde.
Die meisten dieser Bücher wurden von der römisch-katholischen Kirche auf dem Konzil von Trient (1545-1563) als zur Schrift gehörig erklärt, während die protestantische Kirche ihnen jede göttliche Autorität abspricht.
Diejenigen, die diesen Büchern göttliche Autorität zusprechen und sie als Schrift verteidigen, argumentieren, daß die Verfasser des Neuen Testaments überwiegend die Septuaginta zitieren, die die Apokryphen enthält. Sie führen auch die Tatsache an, daß einige der Kirchenväter, namentlich Irenaeus, Tertullian und Klemens von Alexandria, die Apokryphen im öffentlichen Gottesdienst benutzt und sie als Schrift anerkannten, wie es auch die Syrische Kirche im vierten Jahrhundert tat.
Augustinus, der bei den Konzilen von Hippo und Karthago den Vorsitz führte, stimmte mit ihrer Entscheidung, die Bücher seien inspiriert, überein: Die Griechische Kirche fügt der Liste derer, die an die Inspiration der Apokryphen glauben, ihr Gewicht hinzu.
Die Befürworter verweisen auch auf die Schriftrollen vom Toten Meer, um ihrem Glauben an die Apokryphen weiteres Gewicht zu verleihen. Unter den Fragmenten aus Qumran waren auch einige hebräisch geschriebene Kopien von apokryphen Büchern. Diese sind zusammen mit anderen alttestamentlichen Werken entdeckt worden.
Die Gründe dafür, die Apokryphen als heilige Schrift einzubeziehen, brechen bei näherer Untersuchung vollständig zusammen. Die Verfasser des Neuen Testaments mögen sich darauf beziehen, aber sie zitieren sie niemals als heilige Schrift oder geben auch nur den geringsten Hinweis, daß diese Bücher inspiriert wären. Wenn die Septuaginta im ersten Jahrhundert diese Bücher enthielt, was keineswegs eine bewiesene Tatsache ist, dann ignorierten Jesus und seine Jünger sie vollkommen.
Sich zum Beweis für die Inspiration der Bücher auf bestimmte Kirchenväter zu berufen, ist ein schwaches Argument, da ebenso viele in der frühen Kirche, besonders Origenes, Hieronymus und andere, ihre angebliche Inspiration leugneten.
Die Syrische Kirche wartete bis zum vierten Jahrhundert n.Chr., um diese Bücher als kanonisch zu akzeptieren. Es ist bemerkenswert, daß die Peschita, die syrische Bibel aus dem zweiten Jahrhundert n.Chr., sie nicht enthielt.
Der frühe Augustinus erkannte die Apokryphen zumindest teilweise an. Aber später reflektieren die Schriften des Augustinus eine klare Ablehnung dieser Bücher als außerhalb des Kanons und minderwertiger als die hebräischen Schriften.
Die jüdische Gemeinschaft lehnte diese Schriften ebenfalls ab. Auf der jüdischen Synode von Jamnia (ca. 90 n.Chr.) wurden neun der Bücher unseres alttestamentlichen Kanons aus unterschiedlichen Gründen diskutiert, ob sie eingeschlossen werden sollten. Schließlich erklärte man nur die hebräischen Bücher in unserem heutigen Kanon des Alten Testaments für kanonisch.
Das Vorhandensein von Apokryphen unter den Fragmenten des Alten Testaments beweist hinsichtlich der Inspiration wenig, da auch zahlreiche Fragmente anderer, nicht zur Schrift gehörender Dokumente gefunden worden sind.
Man kann nicht genug darauf hinweisen, daß die römisch-katholische Kirche selbst diese Bücher nicht vor 1545-1563, auf dem Konzil von Trient, als heilige Schriften erklärt hat.
Die Aufnahme gewisser Bücher innerhalb der Apokryphen als kanonisch durch die römisch-katholische Kirche war zum großen Teil eine Reaktion auf die protestantische Reformation. Durch die Kanonisierung dieser Bücher legitimierte man ihre Verwendung in Fragen der Doktrin.
Diese Argumente zur Verteidigung der Apokryphen als Schrift lassen offensichtlich viel zu wünschen übrig.
Es gibt noch einige andere eindrucksvolle Gründe dafür, daß die Apokryphen von der protestantischen Kirche abgelehnt werden. Einer davon betrifft die unbiblischen Lehren dieser fragwürdigen Bücher, wie das Beten für die Toten.
Für die Verstorbenen zu beten, wie es in 2. Makkabäer 12,45-46 gefordert wird, steht in direktem Widerspruch zu Lukas 16,25-26 und Hebräer 9,27 und anderen Stellen. Die Apokryphen enthalten auch die Episode, in der Gott Judith bei einer Lüge unterstützt (Judith 9,10.13).
Die Apokryphen enthalten außerdem nachweisbare Irrtümer. Tobit soll gelehrt haben, als Jerobeam im Jahre 931 v.Chr. seine Revolte begann und lebte immer noch zur Zeit der assyrischen Gefangenschaft (722 v.Chr.), doch das Buch Tobit sagt, er habe nur 158 Jahre gelebt (Tobit 1,3-5; 14,11).
Schließlich erhebt keines dieser apokryphen Bücher den Anspruch auf göttliche Inspiration. Man braucht nur diese Werke neben der Bibel zu lesen, um den großen Unterschied zu sehen.
Quelle: Aus dem Buch: "Das kann ich nicht glauben!", CLV Verlag, 1997