Was ist sinnbildlich in den beiden Speisungen zu erblicken?

Was ist sinnbildlich in den beiden Speisungen Matth. 14,14-21 und 15,32-38, in den 5 Broten und 2 Fischen und den 7 Broten und „wenigen kleinen“ Fischen und in den Übriggebliebenen 12 Handkörben und 7 Körben voll, zu erblicken?

Antwort

Die Frage gibt Anlaß, auf die Aprilnummer der „Handreichungen” zurückzuweisen, wo auf Seite 92 über das Evangelium des Matthäus gesagt ist, dass seine Anlage erkennen läßt, dass Matthäus großartige Gemälde entwirft, entsprechend dem, was zu erwarten ist, wenn der Lebensweg eines Königs beschrieben wird, wie der Schriftforscher sie aus den Propheten, allermeist aus Jesaja, kennt, wie keines der anderen Evangelien ihrer Anlage nach sie geben kann.

Ein Entdecken und Deuten dieser Gemälde setzt eine eingehende Kenntnis der prophetischen Geschehnisse der zukünftigen Geschichte Israels voraus. Dabei ist dem Gesetz der Perspektive Rechnung zu tragen. Naheliegendes erscheint groß, Entferntes verhältnismäßig klein. Die prophetische Bewertung hat im umgekehrten Verhältnis zu stehen. Geringfügig ist z. B. in unseren zwei Abschnitten, die wir in gedrängter Kürze übersichtlich durchgehen müssen, die den natürlichen Umständen nach sich ergebende Tatsache, dass eine große bunt zusammengewürfelte Menge Volks da ist, die im Eifer ihres Nachlaufens ihre Verproviantierung vergessen hat. Groß aber ist das Verhalten und Tun des HERRN, nicht nur als vorliegende Handlung, sondern vielmehr als in die Zukunft auf ein in größerem Maßstab Geschehendes hinweisend.

Wie wir im Alten Testament Jehova immer wieder über Sein von Ihm abirrendes Volk bewegt sehen, so sehen wir hier Jesus innerlich bewegt über die Volksmenge, obwohl die Ablehnung Seiner Person und Seines Dienstes grundsätzlich schon erfolgt war. Nur aus Gnaden setzte Er denselben fort. Die Gergesener hatten Ihn fortgeschickt. (Kap. 8,34) Schriftgelehrte hatten Seine Vollmacht zum Sündenvergeben als Lästerung gewertet. (Kap. 9,3) Die Pharisäer hatten Seine Vollmacht zum Dämonenaustreiben zweimal dem Obersten der Dämonen zugeschrieben. (Kap. 9,34 und 12,24)

So leitete die Ablehnung Seiner Person und Seines Dienstes über zur Bildung einer neuen geistlichen Familie (Kap. 12,48-50), welche an die Stelle der Verwandtschaft nach dem Fleische, d. h. an die Stelle Israels, treten sollte. In Kap. 13 kommt das bildlich darin zum Ausdruck, dass Er Sich vom Hause, von Israel, weg und an den oder die See, d. i. zur Völkerwelt, begibt und vom Säen des Wortes in Verbindung mit dem Reiche der Himmel in geheimnisvoller Gestalt redet.

So war Er auf dem Punkte, als das daseiende Licht der Nation (Kap. 4,14-17) zu verschwinden. Die lange Nacht Israels bis zum Morgen ohne Wolken (2. Sam. 23,4), bis zum Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit (Mal. 4,2), sandte ihre Schatten voraus. Es war in diesem Sinne auch „Abend”, die Nation als Aufenthaltsort „wüst”.
Er scheint Sich um die leibliche Not der Menge nicht zu kümmern; die Jünger machen Ihn auf dieselbe aufmerksam. Längst schon hat der Geist ähnliches für die Zeit der Beiseitesetzung Israels durch Jesaja zum Ausdruck gebracht, Kap. 62,1.6.7: „... Ihr, die ihr Jehova erinnert ...” (Jerusalem dort ist die Verkörperung der Nation.) Daraufhin gibt Jesus eine vorlaufende Erfüllung von Ps. 132,13-15: Zion-Jerusalem wird Sein Ruhe-Ort sein im Gegensatz zum wüsten Ort; und so wie es dasteht im Psalm, dass es geschehen wird, so segnet Er die Speise reichlich, d. h. vermehrt die Brote, sättigt die Armen.

Der weitere Verlauf des Geschehens in Mt. 14,22-36 veranschaulicht: Während des Beiseitegesetztseins der Nation als solcher ist der in den Propheten und Röm. 11,5 genannte Überrest vorhanden. In den Jüngern wird Er hier abgesondert und scheinbar schutzlos dem Meere, d. i. den Umständen der unruhigen Zeitläufte in der Völkerwelt, anheimgegeben, um als Ergebnis das gesteckte Ziel doch zu erreichen: den Morgen ohne Wolken im Reiche mit dem Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit mit Heilung in ihren Flügeln; im Bilde schwach dargestellt in den Versen 33-36.

In der Zwischenzeit, d. h. gegenwärtig, ist der HERR droben als der Fürsprecher. (V. 23) In Petrus ist zu sehen, wie der auf seinen Messias wartende Überrest zur Ekklesia, zur christlichen Gemeinde wird, die ausgeht, dem kommenden HERRN entgegen. Nach der Aufnahme der Ekklesia besteht der Überrest als rein jüdischer weiter wie vorher, bis der Messias durch Sein Erscheinen alles in Ordnung bringt.

In Kap. 15 wiederholt sich das Bild, nur in etwas anderen Zügen. Die große Änderung, von der wir seit dem Ende des 12. Kapitels in der Beziehung des HERRN zum Volke Kenntnis haben, tritt immer klarer hervor: Man muss (V. 13) eine von Seinem himmlischen Vater gepflanzte Pflanze sein, oder man wird ausgerottet.
Nachdem der HERR Seiner Beurteilung der heuchlerischen Nation Ausdruck gegeben hat, geht Er in das Gebiet der Nationen, wie es heute der Fall ist, und entfaltet da Seine Gnade. (Verse 21-28)

Danach kehrt Er (V. 29), wie es geschehen wird, zu Seinem Volke zurück, zu dem gedemütigten, bis dahin von den Nationen niedergetretenen Volke (Jes. 18,2b, Elberf. Übersetzung), das wahrhaft ein „Galiläa der Nationen” ist und bis dahin sein wird, um es dann aber die große Veränderung erleben zu lassen, welcher Er als „das große Licht”, „die Sonne der Gerechtigkeit”, „der Aufgang aus der Höhe” bewirken wird. So wie Er hier nach Seiner Rückkehr auf den Berg steigt, so wird Er, nachdem Er vom Himmel her zu ihrer „Rettung von der Hand ihrer Feinde” erschienen sein wird, wieder zur Höhe kehren. (Ps. 7,6.7)

Die Volksmenge kann Ihm wieder nahen (V. 30) und alle ihre Kranken durch Ihn heilen lassen: ein Schattenriß, der in etwas dem der letzten Verse des 14. Kapitels ähnlich, aber umfassender ist. Es ist ein Bild von dem Israel, das seine wirkliche Stellung begreift. Bringt Ihm der Überrest (Kap. 14,33), der Ihn näher kennengelernt hat, Huldigung als dem Sohne Gottes dar, so kommt hier das Volk zu Ihm so, als ob es nach dem Wort wäre: „Gepriesen sei, der da kommt in dem Namen des HERRN.” Was sie in Jesu erblicken, führt sie dazu, „den Gott Israels zu verherrlichen”. Sie kommen nicht mit Streitfragen wie z. T. früher, sondern als eine der Heilung bedürftige Menge. Er tut ihr Begehr und hat überdies Vorräte für ihre körperliche Kräftigung, für ihr Wohlbefinden. Alles dieses, in Kap. 14 und 15 schattenhaft gesehen, ist der Charakter des großen Tages des Tausendjahrreiches. Siehe unter den vielen diesbezüglichen Abschnitten der Propheten und Psalmen Jes. 30,18-26; 35; Ps. 103,1-5; 132,15. Die Deutung der beiden Speisungen im prophetischen Sinne gibt die Vervollständigung des entworfenen Schattenbildes.

Weder jene in Jes. 62, die Jehova erinnern, noch die Jünger hier, die den HERRN aufmerksam machen, vermögen selber etwas gegen die Not. Jehova dort, Jesus hier kann allein und wird helfen. In vorbildlicher Übereinstimmung damit haben die Jünger in Kap. 14 nur fünf Brote und zwei Fische, heben aber zwölf Handkörbe voll Brocken auf.

5 kann aus der Schrift gedeutet werden als menschliche Schwachheit und als Verantwortlichkeit und Zeugnis des Menschen gegen den Menschen. (3. Mo. 26,8; Jes. 30,17; 1. Sam. 17,40; 21,3 u. a. St.; 4. Mo. 5,7; 3. Mo. 5,16.24; Dan. 2,32.33; Mt. 25,2 u. a. St.)
2: ein befugtes und genügendes Zeugnis.

12: die Verwaltung der göttlichen Regierung auf der Erde durch den Menschen. 1000 = 10 x 10 x 10: die Verantwortlichkeit des Menschen gegen die Gottheit im stärksten Maße. (5000: im Reiche, wenn der Mensch nicht mehr unter dem Einfluß des dann im Abgrund eingeschlossenen Feindes steht, ist er gleich schwach wie vorher, aber um so verantwortlicher, daher Off. 20,9.)

Übersetzung aus der symbolischen Zahlensprache: Die Schwachheit der Jünger in verantwortlicher Pflichtstellung ihren Volksgenossen gegenüber, die ihnen in Schwachheit und Verantwortlichkeit Gott gegenüber gleich sind, verwandelt sich in genügendes Vermögen, sobald der HERR die Sache in die Hand nimmt. Im Reiche wird es augenscheinlich sein, dass es die göttliche Verwaltung des Landes Israel durch den Messias ist, wobei die 12 Apostel die Vermittler sind (Kap. 19,28; Lk. 22,21.30) und die Segnung nie einen Mangel durch die Verwaltung aufweisen wird.

2. Fall. Kap. 15:
3: göttliches und göttlich vollständiges Zeugnis; Zeichen der Auferstehung; Zeichen von neuem Beginn auf sittlichem, natürlichem und geistlichem Gebiet.
7: Vollkommenheit auf geistlichem Gebiet.
4: über das All hin sich ausdehnend, Universalität.
1000: wie oben.

und wenige kleine Fische” als Zukost hier mit dem Brot zusammen gleich „Speise” im allgemeinen. (Ps. 132,15)
Übersetzung wie vorhin; vgl. Hos. 6,2, Jes. 40,1 2: Nachdem ihre göttlich zugemessene Prüfungszeit als erfüllt erachtet werden kann, will Ich sie jetzt mit einer so vollkommenen Segnung segnen, dass diese Segnung, so völlig sie zu Beginn und in ihrer Fülle gewesen sein mag, immerfort den Charakter der Allgenugsamkeit für alle weiteren Bedürfnisse haben und universal sein wird, nachdem sie einmal ihren Anfang genommen haben wird; doch wird auch die Verantwortlichkeit für diese Segnung universal sein (Vgl. Jes. 66,23 und Sach. 14,16-19)
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Gepriesen sei Jehova, Gott, der Gott Israels, der Wunder tut, Er allein!
Und gepriesen sei Sein herrlicher Name in Ewigkeit! Und die ganze Erde werde erfüllt mit Seiner Herrlichkeit! Amen, ja, Amen!
” (Ps. 72,18.19)
Adolphos


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 22 (1937)